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Verschwiegene Schuld

Verschwiegene Schuld

Titel: Verschwiegene Schuld
Autoren: James Bacque
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Besatzungsgreuel. Er tat dies weder 1945 noch 1988. Wie wir jetzt wissen, waren Hunderttausende von Gefangenen durch eine der abscheulichsten Greueltaten in der Geschichte des Westens, begangen von seiner Regierung, ums Leben gekommen. Die Times war dabei und leugnete, was geschehen war. Und hat es bis in unsere Tage weiter geleugnet.
    Das schien mir mehr zu sein als ein alltäglicher journalistischer Ausrutscher. Wert, sich darüber seine Gedanken zu machen. In der besten Tradition der Times.
     
    Die Brutalität, mit der die Deutschen 1945 aus den Ostgebieten vertrieben wurden, bereitete der sowjetischen Führung kein Kopfzerbrechen. 1943 in Teheran, im Februar 1945 in Jalta und wiederum sechs Monate später in Potsdam verlangte Stalin die Ausdehnung der UdSSR auf Kosten Polens nach Westen. Polen sollte dafür das südliche Ostpreußen, Schlesien und den östlichen Teil Brandenburgs erhalten. Alle Deutschen in diesen Landesteilen sollten gewaltsam vertrieben werden. Roosevelt und Churchill waren zuerst schockiert über dieses Ansinnen, die Westgrenze der Sowjetunion weit nach Europa hinein zu verlegen. Auch machte ihnen der Gedanke Sorgen, daß 16 Millionen Flüchtlinge zusätzlich in ein geschrumpftes und durch den Krieg verarmtes Deutschland hineingetrieben werden sollten. Da die Auswanderung aus Deutschland damals verboten war, würden die Flüchtlinge den Bevölkerungsdruck innerhalb Deutschlands erhöhen, den Hitler zuvor mißbraucht hatte, um seine Forderung nach »Lebensraum« zu rechtfertigen. Stalins Forderung verletzte auch gewisse Grundsätze der westlichen Demokratien wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das in der Atlantik-Charta als feierliches Kriegsziel niedergelegt und auch in der Charta der Vereinten Nationen verankert worden war.
    Es machte Stalin überhaupt nichts aus, daß seine eigenen Landnahmen dem Vorbild von Hitlers brutalen ethnischen Säuberungen in Polen, Rußland und andernorts folgten. Auf die von den Westalliierten in Potsdam erhobenen Einwände erwiderte Stalin mit glatter Zunge, daß alle Deutschen ja bereits geflüchtet seien, so daß keiner mehr übrig sei, der noch vertrieben werden müßte. Die Polen, von der Roten Armee beherrscht, spielten Stalins Spiel mit. Im Jahr 1947 meldeten sie, daß nur noch etwa 400 000 Deutsche in dem Gebiet übrig seien, das vor dem Krieg wenigstens neun Millionen Deutsche bewohnt hatten, das 700 Jahre lang deutsche Heimat gewesen war.
    In Potsdam kapitulierten die Westalliierten vor Stalin und unterzeichneten Artikel XIII, der den »Transfer« von Völkern erlaubte, allerdings erst, wenn die organisatorischen Voraussetzungen auf der Empfängerseite geschaffen worden waren, und auch dann nur unter »humanen und geordneten Bedingungen«. Und niemand durfte ohne Erlaubnis des Alliierten Kontrollrats vertrieben werden. Das Land sollte vorläufig, das heißt bis zum Abschluß eines Friedensvertrages, der polnischen und sowjetischen Verwaltung unterstellt werden.
    Die Kapitulation der Westalliierten könnte man charakterisieren als simple Furcht, sich mit den Sowjets anzulegen. Doch in Wahrheit hatten die Demokratien wenig von den Sowjets zu befürchten, während diese sehr wohl vom guten Willen des Westens abhängig waren. Dies war jedoch ein Trumpf, den der Westen offenbar niemals ausspielte. Die Sorge der Westalliierten um das Schicksal der Verfolgten und Flüchtlinge scheint wohl nur der glänzende, glatte Schmierfilm der »Heuchelei und kultivierten Unaufmerksamkeit« gewesen zu sein, den unsere Staatslenker auftragen, um die Reibung zwischen unseren bewundernswerten Grundsätzen und unserem Eigeninteresse zu verringern. Es lohnt sich, dieses Zitat – von Conor Cruise O'Brien – im Zusammenhang zu betrachten:
     
    »Die traditionelle Ethik (des Westens) verlangt nach immer größeren Dosen ihrer traditionellen integrierten Gegenmittel der Kräfte der Heuchelei und kultivierten Unaufmerksamkeit, kombiniert mit einem gewissen Minimum an Almosen .« 1
     
    Daß es nicht Zweck von Artikel XIII war, Flüchtlinge zu retten, sondern die Hände der Alliierten vom Blut dieser Gequälten reinzuwaschen, geht schon aus der Tatsache hervor, daß, während das Abkommen in Potsdam unterzeichnet wurde, nur wenige Kilometer entfernt, in Berlin, bereits täglich 10 000 Vertriebene eintrafen, von denen viele buchstäblich auf den Straßen starben. Parks, Bürgersteige und U-Bahnhöfe waren von ihren Leichen übersät. Das ging viele Jahre so weiter, nachdem
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