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Verschwiegene Schuld

Verschwiegene Schuld

Titel: Verschwiegene Schuld
Autoren: James Bacque
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der Briten sind sehr oberflächlich; personenbezogene Daten enthalten sie sowieso nicht. Die französischen Archive sind notorisch unvollständig, und was vorhanden ist, erweist sich als trügerisch. Die Aufzeichnungen des Internationalen Roten Kreuzes, das Beobachter in einige westliche Lager entsandte, sind Wissenschaftlern verschlossen. All dem gegenüber sind die sowjetischen Archive außerordentlich detailliert, sehr umfangreich, in sich schlüssig, öffentlich und belastend.
    Die sowjetischen Zahlen über die Gefangennahme deutscher Zivilpersonen liegen höher, als die Deutschen selbst nach dem Krieg angenommen hatten.
    Belege aus Japan und Kanada sind weitere Indizien für die Genauigkeit der NKWD-Angaben über die Todesfälle. Die Erfahrungen von kanadischen Soldaten in japanischen Gefangenenlagern lassen sich auch auf sowjetische Verhältnisse übertragen. Die japanischen Lager genossen lange Zeit den Ruf, die schlimmsten der Welt zu sein, mit Ausnahme vielleicht der deutschen Lager für russische Gefangene. Der japanische Befehlshaber über die philippinischen Lager, General Masaharu Homma, wurde wegen seiner Teilnahme an der Verwaltung dieser Lager als Kriegsverbrecher verurteilt und hingerichtet.
    Die kanadischen Akten wurden mit Sorgfalt geführt und sind absolut zuverlässig. Die Zahlen lauten: 1689 gefangengenommen, 1423 nach Kanada zurückgekehrt, 266 in Gefangenschaft verstorben. Viele Soldaten waren im Kampf verwundet worden, bevor sie in Gefangenschaft gerieten.
    Die kanadischen Kriegsgefangenen verbrachten durchschnittlich 3,8 Jahre in japanischer Gefangenschaft. Die Sterberate für den gesamten Zeitraum betrug 16 Prozent, aufs Jahr umgerechnet etwa 4,1 Prozent. Die Deutschen verbrachten durchschnittlich 4,5 Jahre in sowjetischer Gefangenschaft. Die jährliche Sterberate betrug in diesem Fall 4,2 Prozent. 9   Nach den sowjetischen Unterlagen war die jährliche Sterberate der Deutschen in russischen Lagern höher als die der Kanadier in japanischen Lagern.
    Dies bedeutet, daß die Sowjets Aufzeichnungen anfertigten, aus denen hervorging, daß sie Greuel an Kriegsgefangenen begingen, die schlimmer waren als diejenigen, für die General Homma die Todesstrafe erhielt.
    Eine weitere Wahrheitsprobe läßt sich anhand der Todeslisten durchführen, die von dem Österreicher Rudolf Haberfellner, der heute in Toronto lebt, aus einem Sowjetlager geschmuggelt wurden. Haberfellner wurde 1943 gefangengenommen und lernte verschiedene Lager kennen, darunter Novo Troitsk, wo er und andere die Todesfalle in den Lagern beobachteten und darüber Buch führten.
    Die Verhältnisse, unter denen die Gefangenen vor dem Sommer 1945 leben mußten, waren besonders schlimm, weil die Lagerwachen auch hungern mußten und den Gefangenen das Essen wegnahmen. Doch die Lebensbedingungen verbesserten sich abrupt mit dem Amtsantritt eines herausragenden Offiziers, eines früheren russischen Panzerkommandeurs namens Trofimow, der mit der Korruption aufräumte. Gleichzeitig wurde die Lebensmittelversorgung verbessert, so daß die Sterberate drastisch zurückging.
    Die Gefangenen führten ihre eigenen Todeslisten, weil sie nicht glaubten, daß die Sowjets jemals die Wahrheit über die Zustände in den Lagern preisgeben oder die Angehörigen benachrichtigen würden, wenn ein Gefangener starb. Haberfellner gelang es, die Namen von 195 verstorbenen Österreichern auf kleine Papierfetzen zu übertragen, die er dann in die Schultern seines Mantels einnähte. Als er 1947 entlassen wurde, schmuggelte er die Namen mit in die Freiheit. Soweit dem Autor bekannt, ist dies der einzige Fall, in dem es gelang, eine Sammlung von Verstorbenendaten aus einem sowjetischen Lager zu schmuggeln (ein Foto davon befindet sich im Besitz des Autors in Toronto). Haberfellner schätzt, daß weniger Österreicher als andere Gefangene umkamen, doch über die hatte er keine Zahlen mitgebracht.
    Die Gesamtzahl der österreichischen Gefangenen, ungefähr 2 200, war für Haberfellner leicht festzustellen, da alle Österreicher vor der Entlassung im Jahr 1947 eingesammelt und in einem besonderen Lagerbereich untergebracht wurden. So war es leicht für Haberfellner und seine Freunde, sie zu zählen. Aus der Todesliste für das gesamte Lager einschließlich aller anderen Nationalitäten las Haberfellner sämtliche österreichischen Namen heraus. 195 Tote unter 2200 Österreichern machen etwa 8,8 Prozent aus. Die Gesamt-Sterberate für Österreicher lag nach dem
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