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Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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braucht ihre Zeit.
    »Also, gehen wir«, höre ich meine Mutter sagen und denke dankbar: Jetzt ist es vorbei. Aber keine Rede davon, wir müssen uns ansehen, wo der Tisch für die Geschenke steht. Geschenke … Ich liebe Geschenke und bin kindisch gespannt, mir fällt die Szene aus »High Society« ein, das Reporterpaar steht an einem überfüllten Hochzeitsgeschenketisch des High-Society-Paares und singt: »Who wants to be a millionaire?« Halblaut trällere ich: »I don’t, i don’t.« Ich sollte wirklich etwas schlafen. Der Heurige liegt wunderschön inmitten von ansteigenden Weingärten, das muss ich zugeben. Und das warme Wetter ist für Mitte September ein Geschenk.
    Die Mütter führen uns weiter, haben einen geheimnisvollen Gesichtsausdruck und meinen, sie hätten noch eine besondere Überraschung für uns, aber eine, über die man heute schon reden müsse, wegen der Planung.
    Oskar und ich sehen uns an. Einklang, wir könnten ohne die Überraschung leben.
    »Wir haben …«, beginnt meine Mutter geheimnisvoll, »… an etwas gedacht, das wir alle vergessen hatten.«
    Okay, und das wäre?
    »Einen Fotografen!«
    Ich schüttle den Kopf, es bringen ohnehin ein paar unserer Freunde ihre Kamera mit, das reicht.
    Die Mütter gehen weiter, das Grundstück des Heurigenlokals endet mit einer Geländestufe, einem Felsen, in den eine kleine, verwitterte Kellertür hineinführt.
    »Hier ist der beste Platz für die Hochzeitsfotos«, meint Oskars Mutter, leicht außer Atem. »Wir mussten es euch schon heute sagen, wegen des Make-ups und wegen des Ablaufs. Es geht um das richtige Licht, sanftes, nicht zu grelles Licht hat uns Braunrath gesagt, er ist einer der besten Fotografen, wir … «
    Ich sehe Oskar an, schüttle weiter wie wild den Kopf: Wir beide mit entrückt-blödsinnigem Lächeln, Weichzeichner – über solche Fotos in den Auslagen diverser Geschäfte mache ich mich seit Jahrzehnten lustig.
    Oskar sieht auch nicht eben glücklich drein. Vesna starrt auf den Felsen, als hätte sie eine Erscheinung. Ich sehe sie an. Fotos. Felsen. Steinbruch. Liebespaare. Wie kann man nur so vernagelt sein?
    »Das Foto! Das war am Steinbruch!«, rufe ich.
    Vesna nickt bloß.
    »Wir müssen ganz dringend weg«, sage ich zu den Müttern und versuche zu lächeln.
    »Soll ich mitkommen?«, meint Oskar, aber ich lasse den Armen im Stich und meine nur, wir seien sicher bald zurück.
    Unter dem Protest der Mütter rennen wir davon, Slalom durch die Tische, zum Auto, Oskar trotz allem hinter uns drein.
    »Was ist los?«, fragt er keuchend.
    »Ich komme wieder«, beruhige ich ihn und küsse ihn leicht auf den Mund. Dann sehe ich ihn Rückspiegel immer kleiner werden.
    »Hinter Foto von Nicole Frohner war der Steinbruch«, sagt Vesna. Ich nicke und ergänze:
    »Die Shopping City Süd ist nicht so weit vom Steinbruch entfernt. Sie hat ihn hingelockt. Aber warum? Weil er sie verlassen hat? Weil er sie gekündigt hat? Weil sie wollte, dass er die Police auf ihren Namen schreibt? Sie hatte kein Geld und wollte studieren.«
    »Ich weiß nicht«, mein Vesna, »ein Schritt nach dem anderen. Ist wahrscheinlich, dass er das Foto gemacht hat.«
    »Wenn es digital ist, dann ist es vielleicht noch im Computer oder auf einer CD.«
    Ich wähle Gerdas Nummer.
    »Was ist mit dem Computer deines Ex? Hast du ihn noch?«
    »Was ist los?«
    »Später.«
    »Nein, der Computer ist bei der Polizei.«
    »CDs?«
    »Auch.«
    Verdammt. Andererseits: Hätte er das Bild daheim von der Kamera geladen und gespeichert? Gerda ist Fotografin und kennt sich mit Bilddateien zu gut aus, sie hätte es finden können. Die Computer in der Ordination. Die sind offenbar nicht beschlagnahmt, ich habe sie gesehen, wahrscheinlich hat man sie nur nach einem Abschiedsbrief oder irgendwelchen vordergründigen Indizien durchsucht. Hätte man das Bild gefunden, wäre manches wohl anders gelaufen bei den Ermittlungen.
    Ich fluche und kurve dreimal um den Block, ehe ich einen Parkplatz finde. Noch immer steht auf dem Schild: »Dr. Helmut Hofer, Facharzt für Allgemeinmedizin«. Wir läuten, der Summer ertönt, wir hetzen in den ersten Stock, sehen einander an. Ruhig bleiben und improvisieren.
    Wir haben Glück, es ist bloß die blonde Sprechstundenhilfe da. »Eigentlich ist keine Ordinationszeit mehr«, beginnt sie.
    »Meine Freundin hat schon wieder solche Bauchschmerzen, erinnern Sie sich?«, frage ich sie.
    Sie nickt zögernd. Im Wartezimmer sitzen noch drei Leute.
    »Ich halte keine
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