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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Neuheiten.
    »Ah, ah! die Provinz ist die Provinz, und Paris ist Paris. Wenn so ein Kerl aus dem Houmeau zu dir kommt, um seine Heiratsanzeige bei dir zu bestellen, und wenn du sie ihm ohne einen Amor mit Girlanden druckst, dann hält er sich nicht für verheiratet und bringt sie dir wieder, wenn er nichts weiter darauf steht als ein M, wie bei deinen Didot, die der Ruhm der Buchdruckerkunst sind, aber deren Erfindungen hundert Jahre brauchen, bis sie sich in der Provinz einbürgern. Das ist die Sache.«
    Vornehme Naturen sind schlechte Geschäftsleute. David war eine dieser keuschen und zarten Naturen, die vor einer Auseinandersetzung zurückschrecken und die in dem Augenblick nachgeben, wo der Gegner sie etwas empfindlicher trifft. Seine verfeinerten Gefühle und die Herrschaft, die der alte Trunkenbold über ihn ausübte, machten ihn noch ungeeigneter, eine Auseinandersetzung über Geldsachen mit seinem Vater fortzuführen, zumal er ihm die besten Absichten zuschrieb; denn er führte jetzt Gier und Interessiertheit auf die Liebe zurück, die der Drucker für seine Maschinen hegt. Da indessen Jérôme Nicolas Séchard das Ganze von der Witwe Rouzeau für zehntausend Franken in Assignaten übernommen hatte, und da beim jetzigen Zustand der Einrichtung dreißigtausend Franken ein unerhörter Preis waren, rief der Sohn aus: »Vater, du plünderst mich aus!«
    »Was, ich? Habe ich dir nicht das Leben gegeben?« sagte der alte Trunkenbold und hob die Hand zur Decke empor. »Aber, David, wie hoch schlägst du denn das Patent an? Überlegst du auch, wieviel das ›Anzeigeblatt‹ wert ist, wo die Zeile zehn Sous kostet? Das Privileg ganz allein hat im letzten Monat fünfhundert Franken eingebracht. Junge, öffne doch die Bücher, sieh nach, was die Anschläge und die Register der Präfektur einbringen und die Kundschaft des Magistrats und der bischöflichen Kanzlei! Du bist ein dummer Kerl, der reich werden kann und nicht will. Du feilschst noch um das Pferd, das dich zu einem so schönen Herrensitz tragen kann, wie mein Marsac ist.«
    Beigefügt war dem Inventar ein Gesellschaftsvertrag zwischen dem Vater und dem Sohn. Der gute Vater vermietete der Gesellschaft sein Haus für eine Summe von zwölfhundert Franken, obgleich er es nur für sechshundert gekauft hatte, und er reservierte sich darin eine der beiden Dachkammern. Solange David Séchard die dreißigtausend Franken nicht bezahlt hätte, sollte der Reingewinn zu gleichen Hälften geteilt werden; von dem Tage an, wo er diese Summe seinem Vater bezahlt hätte, sollte er alleiniger Eigentümer der Druckerei werden. David legte Wert auf das Patent, die Kundschaft und die Zeitung, ohne sich um die Pressen zu kümmern; er glaubte, es könnte ihm gelingen, die Schuld abzutragen, und akzeptierte die Bedingungen. Der Vater, der an die Bauernkniffe gewöhnt war und von den weiterblickenden Berechnungen der Pariser nichts wußte, war über einen so schnellen Entschluß erstaunt. »Sollte mein Sohn Geld haben,« fragte er sich, »oder entschließt er sich in diesem Augenblick, mich nicht zu bezahlen?«
    Infolge dieser Gedanken fing er an, ihn auszufragen, ob er Geld mitgebracht habe, er könne es ihm ja in Rechnung stellen. Die neugierige Fragerei des Vaters erweckte das Mißtrauen des Sohnes. David blieb zugeknöpft bis zum Halse hinauf. Am nächsten Tag ließ der alte Séchard durch seinen Lehrling seine Möbel in die Kammer des zweiten Stocks bringen; er beabsichtigte, sie durch die Bauernwagen, die sonst leer zurückfuhren, auf sein Landgut bringen zu lassen. Er übergab seinem Sohn die drei Zimmer des ersten Stocks völlig leer, ebenso wie er ihm die Druckerei übergab, ohne ihm einen Heller zur Bezahlung der Arbeiter einzuhändigen. Als David seinen Vater bat, in seiner Eigenschaft als Teilhaber eine Einlage beizusteuern, die zum Weiterbetrieb nötig sei, wollte der alte Drucker von nichts wissen. Er sagte, er habe sich verpflichtet, seine Druckerei zu übergeben, aber kein Geld. Seine Einlage sei schon da. Als er sich von der Logik seines Sohnes bedrängt sah, antwortete er ihm, als er die Druckerei der Witwe Rouzeau abgekauft habe, habe er die Sache ohne einen Sou fertiggebracht. Wenn das ihm, einem armen Arbeiter ohne Kenntnisse, geglückt sei, müsse es bei einem Zögling Didots noch besser gehen. Überdies habe David Geld verdient, was er der Erziehung zu verdanken habe, die mit dem Schweiß seines alten Vaters bezahlt worden wäre, und so könnte er es jetzt gut
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