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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier
Autoren: S Scarlett
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derzeitige Titelinhaber beschlossen, die bestehenden Mietverhältnisse auf den neuesten Stand zu bringen. Im Zuge dessen hatte man festgestellt, dass Mr Cutlers Miete seit über dreißig Jahren nicht erhöht worden war. Die Summe, die er seit 1974 bezahlte – sechs Pfund –, könne mit Fug und Recht als geradezu »nomineller Betrag« bezeichnet werden, hieß es. Den modernen Standards und der aktuellen Mietgesetzgebung folgend schlug der neue Earl vor, eine (rückzahlungsfähige) Kaution in Höhe von fünftausend Pfund für das Haus und das dazugehörige Grundstück zu hinterlegen, dazu würde eine neue (jährlich anzupassende) Mietzahlung laut derzeitiger Marktlage festgelegt. Angesichts Mr Cutlers langjährigen Mietverhältnisses halte man einen wöchentlichen Betrag von hundert Pfund für die restliche Mietzeit – sprich, bis Tom ins Gras biss – für angemessen. Da Mr Cutler sämtliche bisherigen Schreiben ignoriert habe, habe man keine andere Möglichkeit gesehen, als ihn mit diesem Schreiben über die bevorstehende Räumung zu informieren, die notfalls mittels Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher erwirkt werde.
    Ich reichte das Schreiben Tom zurück. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Stattdessen war ich zutiefst beschämt. Tom aus seinem Haus zu vertreiben war, als jage man Bilbo Beutlin aus dem Auenland. Als ich schließlich den Mut aufbrachte, ihm ins Gesicht zu sehen, glitzerte … ja, was? Schwer zu sagen, was in seinen Augen glitzerte. Bekümmerung, vielleicht. Vermischt mit Ungläubigkeit darüber, wie es so weit hatte kommen können. In erster Linie jedoch glitzerte das gewohnte leuchtende Blau.
    »Lampeter, ja?«, murmelte ich.
    »Oh, anscheinend gibt es da so eine Art … wie hieß das noch? Gemeinschaft?«
    »Gütiger Himmel. Aber doch kein …« Tom wollte in ein Altersheim ziehen?
    »Na ja, ich bin eben so eine Art Überbleibsel hier«, meinte er und begann zu meiner Verblüffung zu lachen.
    Seit dieser Unterhaltung geht mir Toms Schicksal mächtig an die Nieren. Ich finde es schlicht und ergreifend grausam, diesen wunderbaren exzentrischen alten Knaben aus seiner gewohnten Umgebung zu reißen und in ein überhitztes Zimmer in einem Altersheim in Lampeter zu stecken. Ich sehe es vor mir – Linoleumboden, alles makellos sauber und hygienisch, ein Fernseher auf einem Gestell an der Wand, die triste Aussicht durch die Vorhänge auf die Straße. Toms Haus, das im Grunde nichts anderes als die Erweiterung seines chaotischen Gartens ist, nur eben mit vier Wänden und einem Dach, wird garantiert niemals einen Preis für innenarchitektonische Gestaltung, Sicherheit oder Hygiene gewinnen, doch dieser Mann gehört ebenso hierher wie ein Fisch ins Wasser.
    »Tom, wegen dieses Briefs, den du mir neulich gezeigt hast«, sage ich. Die Zwiebel verharrt auf halbem Weg zu seinem Mund. »Ich glaube, ich habe eine Möglichkeit gefunden, dir den Vermieter für eine Weile vom Hals zu halten.« Das graue Gestrüpp über seinen Augen zuckt. »Ich hatte gestern einen Termin in London. Wenn alles nach Plan läuft, stehen die Chancen gut, dass du nicht wegmusst. In dieses Haus, von dem du erzählt hast. In Wales.« Seine blauen Augen heften sich auf mein Gesicht. Ich spüre einen Kloß im Hals. »Das wäre dann nicht nötig. Dorthin zu gehen, meine ich.« Das Wort Lampeter will mir nicht über die Lippen kommen.
    Tom lässt geräuschvoll den Atem durch die Nase entweichen. Ein Schwall Zwiebelgeruch weht mir entgegen. »Ich hatte mich auch nicht gerade drauf gefreut.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Dort wäre kein Platz für …« Er lässt den Blick durch seinen Garten schweifen, dann über die Mauer zu den Feldern, Hecken und Bäumen von Shropshire.
    »Nein, allerdings nicht.« Nicht für all seinen Plunder.
    Langsam hebt er den Arm wie der Papst auf seinem Balkon im Vatikan. Er schüttelt den Kopf. Was auch immer darin vorgehen mag, bleibt sein Geheimnis.
    9
    Bei meiner Rückkehr finde ich eine Mail von Gerald Douglas, die das Vorhaben der Amerikaner, zum Erscheinen meines Buches die Werbetrommel rühren zu wollen, in seinem gesamten grauenhaften Ausmaß darlegt. Abgesehen von der Promotion von Sündige Leidenschaft durch Lesungen und Signierstunden in sechs Großstädten (New York, Washington, Atlanta, Savannah, Jacksonville und Miami) und einem Auftritt im Frühstücksfernsehen ( Guten Morgen, Washington! mit Ryder Whiteswanund Tiffany Ng) ist eine Reihe geradezu
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