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Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn

Titel: Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
Autoren: Werner Mang
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Facelifting für sehr wichtig; das ist meines Erachten genauso berechtigt wie die dritten Zähne oder Zahnimplantate sowie künstliche Hüftund Kniegelenke. Wir sind heutzutage mit sechzig so vital wie früher mit vierzig. Da sind bisweilen kleinere Eingriffe erwünscht und nötig, damit die äußere Vitalität der inneren entspricht. Denn auch unser Aussehen gehört zur sozialen Kompetenz. Da könnte man schon mal über Schönheits-OPs auf AOK-Kosten diskutieren …

Natürliche Schönheit ist in – Barbie-Puppen sind out
    Es gibt jede Menge Eingriffe, die ich strikt ablehne. Und das sind: Riesenbrüste (Doppel-D), Po-Implantate bei Frauen (und Männern!), Rausschneiden von Rippen, Behandlung von Mädchen unter 16, übergroße Lippen, Brust-Implantate bei Männern, Penisverdickung
und -verlängerung, Six-Pack-Bauch bei Männern, der übermäßige Einsatz von Botox. Also alles, was nach der Operation nicht natürlich aussieht, nicht gesund ist und medizinische Komplikationen vorprogrammiert. Ein Viertel unserer Eingriffe sind mittlerweile (lebens-)notwendige Korrekturen vorausgegangener Operationen bei anderen Ärzten. Das sollte nicht nur meine Kollegen nachdenklich stimmen.
    Eine Zeitschrift hat mich mal als den »Robin Hood der Schönheitschirurgie« betitelt: ein Arzt, der es von den Reichen nehme, um den Armen zu helfen. Ich habe nichts gegen dieses Bild, obwohl ich es als viel zu krass und stark übertrieben empfinde. Tatsächlich habe ich die Professor-Mang-Stiftung gegründet, die es sich zur Aufgabe macht, bedürftigen Patienten, die, durch was auch immer, verunstaltet wurden, kostenlos zu helfen. So behandelte ich unter anderem Marc-David Jung, der 1988 bei der Flugshow-Katastrophe von Ramstein als Vierjähriger sehr schwer verletzt wurde. Vierzig Prozent seiner Hautoberfläche waren verbrannt. Wir Ärzte werden ihn wohl nicht mehr als einen körperlich völlig normalen und genesenen Menschen wiederherstellen können, doch wir konnten erreichen, dass sein Leben etwas leichter geworden ist.
    Ich weiß aufgrund meiner Erfahrungen, was machbar ist und was Menschen weiterhilft. Vor diesem Hintergrund sage ich klipp und klar: Weniger ist mehr. Gesunde Ernährung und Lebensweise, genügend Sport, wenig Alkohol und ausreichend Schlaf machen oft (kostspielige) Schönheits-OPs überflüssig. Das ist keine Koketterie unter Schönheitschirurgen, sondern eine simple Grunderkenntnis der Medizin. Der – und nur der – fühle ich mich als Arzt verpflichtet!

Overlifted und Botoxiert ist megaout
    Natürlich habe auch ich Schönheitsideale und Vorstellungen von einer funktionierenden Gesellschaft. Auch ich träume davon, wie es sein könnte – in meinem Beruf und in meiner Umwelt. Als Mediziner bekenne ich mich zur natürlichen und natürlich aussehenden
Schönheit, zur ungekünstelt wirkenden Attraktivität, die den eigenen Charakter nicht verstellt, sondern eher betont. Ein unverstelltes, ungekünsteltes Leben ohne Missgunst, Neid und Gier – das ist meine Vision von menschenwürdigem Leben. Solidarität ist für mich als sozialer Leistungsdemokrat kein leeres Wort. Unter Solidarität verstehe ich die Rückkehr zu sozialen Marktwirtschaft, den Zusammenhalt in Krisenzeiten und politische Transparenz: Die Politiker sollten für die Bevölkerung da sein und nicht die Bevölkerung für die Politiker.
    Die größte Solidarität aber ist für mich das Bekenntnis zum Lebenspartner, was nicht mehr en vogue scheint. Leider muss ich es oft genug erleben, dass Männer um die sechzig mit ihrer gleichaltrigen Ehefrau bei mir erscheinen und unverblümt verlangen, dass ich ihre Gattin wieder knackig herrichte. Ich weiß nicht, was da größer ist: die Unverschämtheit oder die Würdelosigkeit. Denen sage ich nur: »Richten Sie sich doch erst einmal selber her. Lassen Sie sich die Tränensäcke und Schlupflider operieren und den Bierbauch absaugen, bevor Sie mit Ihrem Machogehabe Ihre Frau zur Schönheits-OP schleppen.« Meist sind die Ehen solcher Herren bereits gescheitert, und sie sind längst dem Trend der Zeit gefolgt – zur wesentlich jüngeren Zweit- und Drittfrau. Umgekehrt sucht diese Trophäenfrau ihr (materielles) Glück beim wesentlich älteren, dafür umso reicheren und mächtigeren Mann. Bei dieser fatalen Entwicklung laufen wir alle Gefahr, dass die Keimzelle unserer Gesellschaft, die Familie, am sich aufblähenden Egoismus des Einzelnen zerbricht. Diese Krise empfinde ich als wesentlich elementarer als die des
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