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Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn

Titel: Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
Autoren: Werner Mang
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verdiene meinen Lebensunterhalt als Schönheitschirurg. Und ich versuche, das medizinisch Machbare zu unternehmen, damit sich die Patientinnen und Patienten wieder glücklicher fühlen. Ich will regulieren, reparieren, Unzulänglichkeiten korrigieren, aber ich will niemanden auf dieser Welt tunen oder designen, wie es manche Kollegen in den USA machen.
    Es ist grauenhaft, was sich inzwischen auf dem Sektor der Schönheitschirurgie und Schönheitsreparatur abspielt, wie dieser Teil unserer Kultur hemmungs- und bedenkenlos, unmenschlich und vor allem unnatürlich ausufert. Heerscharen von bemitleidenswerten Zombies, verunstaltet von gewissenlosen Ärzten, werden auf die Menschheit losgelassen, die so etwas teilweise noch schön und erstrebenswert findet. Wegen solcher Fehlentwicklungen habe ich dieses Buch geschrieben.
    Immer wieder wird mir von den lieben Kollegen, die sonst wenig Skrupel haben, vorgeworfen, ich sei nur HNO-Arzt. Das scheint für viele, von Neid und Missgunst zerfressenen, Ärzte der einzige Schwachpunkt in meinem Lebenslauf zu sein. Doch ich bin stolz darauf, dass ich Facharzt für HNO/Plastische Operationen bin. Den Facharzt für Plastische Chirurgie gibt es erst seit dem Jahr 1993, zu diesem Zeitpunkt war ich bereits ärztlicher Direktor der Bodenseeklinik in Lindau. Und im Bereich der Ästhetischen Chirurgie habe ich eine über zehnjährige Ausbildung absolviert. Nach meiner chirurgischen Grundausbildung habe ich am Klinikum Großhadern der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität den Facharzt für HNO und Kopf-/Halschirurgie gemacht, weil mich immer das Gesicht
am meisten faszinierte und weil es der schwierigste Teil in der Ästhetischen Chirurgie ist. Eingriffe der plastischen Gesichtschirurgie wie Nasenoperationen, Facelift oder Lidkorrekturen gehören zu den anspruchsvollsten in der Ästhetisch-Plastischen Chirurgie. Ich sehe immer wieder junge plastische Chirurgen, die an meiner Klinik hospitieren und keine Ahnung von Gesichts-OPs haben. Für mich ist die Nasenchirurgie, die schwierigste der Ästhetischen Chirurgie, eine Spezialität geworden, die mich dank meines HNO-Facharzttitels weit über die Grenzen Deutschlands auch international bekannt gemacht hat.
    Die moderne Schönheitschirurgie ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Die Wertesysteme in Familie und Beruf, im Bereich von Geschmack und im Umgang miteinander sind völlig aus den Fugen geraten. Wir befinden uns in einer Zeit der verlorenen Ästhetik, der äußeren und inneren. Die groben Konturen des Verfalls sind in allen wesentlichen Bereichen unseres täglichen Lebens vermehrt festzustellen, weil ja alles miteinander verwoben ist. Begriffe wie Ehre, Respekt, Fleiß, Disziplin, Zuverlässigkeit, Courage, Treue und Solidarität erscheinen wie Relikte aus einer Vergangenheit.
    In der Zwischenzeit hat die Gesellschaft in allen Schichten mit großer Beharrlichkeit daran gewirkt, traditionelle Tugenden bis auf kaum erkennbare Reste abzuschleifen. Gut sichtbar und wie von Millionen von Scheinwerfern angestrahlt, präsentieren sich moderne Charaktermerkmale wie Neid und Geiz, über den Werbeagenturen so lange gegrübelt haben, bis sie ihn »geil« fanden. Der Verfall von Geschmack, Eleganz und Stil bildet den zähen, aber sehr fruchtbaren Nährboden für eine armselige Society, in der sich Hunderte von TV-Moderatorinnen, abgehalfterte Sportler, Schlagersänger, selbst ernannte Kult-Transvestiten, ausgerastete Söhne und Töchter ausrangierter Musik- und TV-Celebrities, Porno- und Selbstdarsteller tummeln, wo sich geld- und machtgierige Trophäenfrauen mit Sugardaddys, Aktienspekulanten und falschen Adligen präsentieren und das auch noch selbstverliebt Entertainment nennen. Und wir anderen, die vermeintlichen Spaßverderber und Spießer, die seit 20 oder 30 Jahren immer noch mit derselben Frau glücklich verheiratet sind, die keine Nanny haben und ihre Kinder selbst erziehen, die
das, was sie kaufen, auch auf Heller und Pfennig bezahlen, wir stehen mehr schweigend als staunend draußen im großen Dunkel des Zuschauerrunds und fragen uns, wer hier im Licht steht und wer im Schatten, was echt ist und was falsch.
    Mit letzterer Frage habe ich tagtäglich zu tun. Mit dem Schein und mit dem Sein. Manchmal zerfließen die Grenzen wie in einem Zerrbild, das Wirklichkeit geworden ist. Dann war die Patientin oder der Patient bei einem dieser Modedoktoren in den USA, um sich mit Botox und Kollagen das Gesicht und die gesamte Optik lähmen zu lassen,
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