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Verlockend wie ein Dämon

Verlockend wie ein Dämon

Titel: Verlockend wie ein Dämon
Autoren: Annette McCleave
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schwoll in der Ferne an und ab und kam unablässig näher. Gut zu wissen, aber nicht so wichtig. Während er die anrückenden Rettungsfahrzeuge, das Knistern elektrischer Entladungen und das leise Stöhnen der Verletzten ausblendete, konzentrierte er sich ganz auf die Geräusche, die einen Seelenwächter bis in seine Albträume verfolgten: das rauhe Murmeln höllischer Beschwörungen und das Zischen von Feuerbomben in der Luft.
    Und dann entdeckte er den Bastard.
    Links. Knapp hundert Meter durch den Rauch entfernt.
    Die meisten Schergen Satans verbargen ihre wahre Identität unter einer Verkleidung vor den Menschen. Nicht so dieser hier. Er war ein gefleckter, rotgrauer Koloss, doppelt so groß wie Brian und wahrscheinlich dreimal so schwer, und er hatte überall Hörner und Klauen. Ein langer Schwanz, von dem Schleim tropfte, peitschte vor und zurück, als führte er ein Eigenleben. Verglichen mit anderen Dämonen war dieser die imposanteste Kreatur, mit der es Brian jemals zu tun gehabt hatte.
    Er wich dem umtriebigen Schwanz in weitem Bogen aus, näherte sich dem Ungetüm durch die Trümmer und plante dabei in Gedanken seinen Angriff. Das Monster drehte ihm praktischerweise den Rücken zu, daher sprang er auf eine halbzerstörte Verkaufstheke und stürzte sich von hinten auf die hünenhafte Gestalt. Sein Ziel war der muskelbepackte Nacken. Das Schwert hatte eine sehr schnelle Klinge, und das Überraschungsmoment war auf Brians Seite.
    Leider beschloss das verbliebene Vitrinenglas, sich genau in diesem Moment aus der Umrahmung zu lösen und mit markerschütterndem Getöse auf dem Fliesenboden zu zerschellen.
    Der Dämon fuhr herum, gerade als Brians Schwerthieb mit Schwung auf ihn zukam. Mit starrem Blick aus roten Augen erhob er eine servierplattengroße Hand, murmelte nur ein einziges Wort und feuerte einen dicken Klumpen rotglühender Lava auf Brians Brust. Das Geschoss warf Brian zurück, und er landete in einer Fontäne aus Holzsplittern und Glasscherben in einer Vitrine. Schlimmer noch, die Lavabombe fraß sich durch seinen magischen Schild und sein Designersakko und bohrte sich tief in die Muskeln. Das Atmen wurde schwer.
    Was war dieses Ding?
    Er sprang wieder auf die Füße, beschwor einen neuen Schildzauber und schwang sein Schwert, bereit, sich gegen weitere Feuerbomben zur Wehr zu setzen. Aber nichts. Das Ungeheuer hatte sich bereits abgewandt und watete durch die Trümmer auf den Ausgang zur Fiftieth Street zu. Es war nicht an ihm interessiert – der zornige Seelenwächter, der entschlossen war, es mit einem Tritt in den Hintern geradewegs zurück in die Hölle zu befördern, schien ihm vollkommen gleichgültig zu sein.
    Genau das ließ Brians Herz einen Schlag lang aussetzen. Welcher Dämon würde dieser Gelegenheit widerstehen, eine Seele zu stehlen – jetzt, da der Seelenwächter sie geholt hatte und sie leicht zu bekommen war? Besonders unter so günstigen Umständen? Wenn aber dieser Unhold nicht die Seele des Priesters rauben wollte – was wollte er dann?
    Brian spähte durch den Rauch, folgte der massigen Gestalt des Dämons mit dem Blick und runzelte die Stirn. Die überraschend intakte Tür zur Außenwelt schwang gerade zu. Jemand hatte soeben das Gebäude verlassen. Den verschmierten, hellen Blutspuren auf dem Glas nach zu urteilen, war dieser Jemand verletzt. Vielleicht war es die Person aus dem Treppenhaus.
    Brian gönnte sich keine Pause, um das Warum zu ergründen. Er jagte an dem Dämon vorbei, entging mit knapper Not einem grimmigen Schwanzhieb und schob sich durch die Tür in den Maiabend. Die Sonne ging gerade unter und ließ schmale Streifen lohfarbenen Lichtes zwischen die Gebäude fallen. Der Verkehr auf der belebten Straße kroch nur noch dahin – Köpfe wurden aus den Wagenfenstern gesteckt, und Blicke aus weit aufgerissenen Augen saugten sich an den Rauchfahnen einige Stockwerke über ihnen fest.
    Auf der Suche nach dem verwundeten Flüchtigen flog Brians Blick über die glotzenden Umstehenden.
    Da.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Eine Gestalt in einem blutbefleckten T-Shirt, die die Stufen zur St.-Pat-Kathedrale hinaufhumpelte.
    Die Tür in Brians Rücken explodierte in einem Inferno aus Feuer und schmierigem, schwarzem Rauch und schleuderte ihn zusammen mit einer Million Glasscherben und Metallsplittern halb über die Straße. Er rollte sich über die Kühlerhaube eines Taxis ab, landete auf den Füßen und rannte auf den Kircheneingang zu. Neuerlich
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