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Verlockend wie ein Dämon

Verlockend wie ein Dämon

Titel: Verlockend wie ein Dämon
Autoren: Annette McCleave
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für Heroin auf den Kopf gehauen. Meine Sucht trieb mich so weit, dass ich meine Investmentkunden zu beklauen begann. Zunächst nur kleine Beträge. Dann mehr und mehr. Und mein Boss – der Bursche, der mich angestellt und mir die Gelegenheit geboten hatte, etwas aus mir zu machen, derselbe Bursche, der netterweise ein paar Tage zuvor ein Auge zugedrückt hatte, als ich nicht zur Arbeit erschien – mein Boss also fand es heraus.«
    Brian fing Heathers Blick auf. »Du glaubst, dass ich dir jetzt sagen werde, wie ich damit aufgehört habe? Nein. Ich habe immer idiotischere Dinge getan. Mein Boss war ein Heiliger. Er hat seine eigene Karriere aufs Spiel gesetzt und mir angeboten, mich zu decken. Er sagte, dass er mich nicht anzeigen würde, wenn ich ihm den Betrag innerhalb von drei Monaten zurückzahlen würde. Bin ich auf die Knie gefallen und habe ihm die Füße geküsst, wie ich es hätte tun sollen? Nein. Ich habe sein Angebot abgelehnt. Ich glaubte, dass ich es sowieso nicht schaffen würde, das Geld zu besorgen, warum sollte ich es dann überhaupt versuchen?«
    Heather sah fort.
    »Klingelt da etwas bei dir?«
    Sie nickte.
    »Weißt du, was ich als Nächstes getan habe? Das, was jeder verkorkste Junkie tun würde – ich habe Party gemacht. Ich wurde dauerhigh, damit ich nicht über meine Schuld und die Zukunft oder darüber nachdenken musste, wie sich alles lösen ließ.«
    Heather nickte wieder.
    »Aber das Beste kommt erst noch«, verkündete er. »Bis Samstagabend hatte ich meinen Fernseher und meine Rolex verpfändet und stand total neben mir. Da ruft meine kleine Schwester an. Sie ist siebzehn, und dieses verrückte Mädchen hat schon sein ganzes Leben lang zu mir aufgeblickt. Sie ist sogar in meine Fußstapfen getreten, hing mit meinen alten Kumpels von der Highschool herum und nahm Drogen.«
    Die Erinnerung an Melanies Lächeln blitzte in seinem Kopf auf. Schmerzhaft deutlich.
    »Sie ruft mich also an, um mir zu sagen, dass sie alles satt hat. Den ganzen Mist, die Schuldgefühle, die unstillbare Sucht. Sie fleht mich an, für einen Tag heimzukommen nach Brick und mit ihr zu reden.« Brian erinnerte sich kaum noch an den Anruf. Er erinnerte sich vor allem an das, was dann kam. »Ich sage: ›Klar, morgen bin ich da.‹ Aber ich bin nicht hingefahren. Ich war zu kaputt.«
    Seine Schultern fühlten sich unerträglich schwer an, und er versuchte, sie anzuspannen, um den Druck zu erleichtern. »Das Nächste, was ich weiß, ist ein Anruf von meinem Dad. Er sagt, dass meine Schwester tot ist, gestorben am Sonntagmittag an einer Überdosis Heroin.« Brian lächelte voller Reue. »Ich weiß das eine oder andere über Schuldgefühle. Und ich weiß noch viel mehr darüber, ein nutzloses Stück Scheiße zu sein.«
    Lena stand auf.
    Brian hatte Angst, dass sie zu ihm kommen oder ihm sagen würde, er solle den Mund halten. Er erhob sich ebenfalls. »Langer Rede kurzer Sinn: Ich habe meinen Job verloren. Meine Eltern haben das Geld aufgebracht, mit dem sie mich vor dem Gefängnis bewahren konnten, aber dazu mussten sie eine zweite Hypothek auf ihr Haus aufnehmen. Meine Schwester hatte einen Zettel hinterlassen, auf dem stand, dass sie mich angerufen hätte, ich sei aber nicht gekommen. Mein Dad hat nie wieder mit mir gesprochen.«
    Er ergriff Heathers dünne Hand und drückte sie sanft. Seine Augen brannten.
    »An diesem Punkt war ich überzeugt, dass selbst Dreck mehr wert war als ich. Wenn ich dir sage, dass ich weiß, wie es ist, sich aufzugeben, dann glaub mir. Ich habe mich nicht umgebracht, aber ich habe einen anderen Schlussstrich gezogen. Gleich nach der Entziehungskur, in die mich meine Eltern gesteckt hatten, habe ich wieder mit Drogen und Alkohol angefangen. Drei Tage später habe ich mein Auto um einen Baum gewickelt. Es sollte am nächsten Tag zwangsversteigert werden, deshalb wollte ich noch eine letzte Spritztour unternehmen.«
    Heathers Augen waren weit aufgerissen.
    »Ja, im Wörterbuch ist unter ›Versager‹ mein Bild abgedruckt.« Brian versuchte sich an einem Lächeln, es gelang ihm aber nicht. »Warum also erzähle ich dir all das – wenn nicht aus dem Grund, dir zu sagen, dass ich dich verstehe?«
    Sie wandte keinen Blick von ihm.
    »Ich weiß aus erster Hand, was passieren wird, wenn du dich umbringst. Und jetzt kommt der Teil, den du nicht hören willst: Der Schmerz wird für dich vorbei sein, aber er ist nicht annähernd vorbei für diejenigen, die dich lieben. Meine Eltern sind gute
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