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Verlangen

Verlangen

Titel: Verlangen
Autoren: Sylvia Day
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mit dem Anhänger, aber glaube mir, dass alles seinen Zweck hat.« Sherons graue Kutte wogte, als er sich in Richtung Ausgang bewegte.
    Aidan sprang mit einem Satz vor, um ihn aufzuhalten, doch der Älteste war so plötzlich verschwunden, wie er aufgetaucht war. Er hatte sich in Luft aufgelöst.
    Als JB laut maulte und ihren Oberschenkel knetete, grub sich Lyssa tiefer in die Polster des Sofas und zog sich die Chenilledecke über den Kopf.
    »Geh weg«, protestierte sie. Es war ihr verhasst, dass er sie geweckt hatte. Wenn sie schlief, dachte sie wenigstens nicht an Aidan. Zum ersten Mal in ihrem Leben war es ein Segen, nicht zu träumen.
    Ein Monat war vergangen, seit sie sich notgedrungen getrennt hatten, und der Schmerz des Verlusts setzte ihr immer noch heftig zu.
    Noch schlimmer wurde es durch den Umstand, dass sich niemand an Aidan erinnerte und es daher niemanden gab, mit dem sie über ihre Qualen reden konnte. Wären die Indizien nicht gewesen, die er zurückgelassen hatte – die Bücher, den Anhänger, sein Schwert –, hätte Lyssa vielleicht geglaubt, sie sei restlos übergeschnappt. Was nicht heißen sollte, dass sie nicht ohnehin dicht vor dem Wahnsinn stand. Manchmal, in diesen finsteren Momenten, wenn sie weinte, bis keine Tränen mehr da waren, wünschte Lyssa, Aidan hätte auch ihr Gedächtnis gelöscht. Nur für einen Moment. Einen einzigen seligen Moment des Friedens.
    JB kroch über ihren Oberschenkel und stupste sie mit dem Kopf an. Lyssa zog ihre Hand unter der Decke heraus und kraulte ihn hinter den Ohren.
    Er gähnte. Sie weinte. Von der Last ihres Kummers erdrückt, rollte sie sich zu einer Kugel zusammen. Quälende Schluchzer erschütterten ihren Brustkorb; die zahllosen Scherben ihres zerbrochenen Herzens schmerzten.
    In Gedanken sichtete sie ihren Kummer und erinnerte sich an blaue Augen, die von raubtierhafter Glut und besitzergreifenden Absichten erfüllt waren. Sie erinnerte sich an einen harten, kräftigen Körper und ein Gesicht von wilder Schönheit. Phantomberührungen von Aidans schwieligen Händen glitten über ihre Haut.
    Ich liebe dich. Sag mir, dass du es weißt.
    Sie wusste es mit einer Gewissheit, die bis in die Tiefen ihrer Seele reichte. Es war sowohl eine Salbe als auch ein Stachel. Eine Liebe wie diese gefunden zu haben, aber nur, um sie wieder zu verlieren … Zu wissen, dass er weiterhin irgendwo dort draußen war und sie liebte und dass sie doch niemals zusammen sein würden.
    Es läutete an der Tür.
    Sie ignorierte es.
    Ihre Mutter hatte heute schon hereingeschaut, um sie auszuschelten und ihr zu befehlen, zum Arzt zu gehen. Es war eine Qual gewesen, sich aufzusetzen und so zu tun, als sei sie einfach nur müde und nicht etwa dabei, am gebrochenen Herzen zu sterben. Schließlich hatte sie Cathy angeschrien, sie solle fortgehen. Ihre Mutter war beleidigt zur Haustür hinausgestürmt, und Lyssa war erleichtert in sich zusammengesackt. Es war schon schlimm genug, an den Werktagen zur Arbeit zu gehen; sich mit neugierigen Besuchern abzugeben war zu viel verlangt.
    Die Tür ging auf, und sie stöhnte und wühlte sich noch tiefer in die Decke. Wenn es nicht ihre Mutter war, dann war es Stacey, und sie wollte keine von beiden sehen.
    »Lyssa?«
    Aidans weicher irischer Akzent liebkoste ihre Haut wie warmer Samt. Sie zuckte zusammen und hatte Angst davor, die Augen aufzumachen. Angst davor, die Augen nicht aufzumachen. Angst davor, sie würde aufwachen. Angst davor, sie sei gestorben und in den Himmel gekommen, wo ihr größter Wunsch in Erfüllung ging.
    »Baby.« Die Liebe und die Sorge in der geliebten Stimme ließen sie noch heftiger schluchzen. Dann zogen sanfte Hände sie hoch, streckten sie aus und hoben sie mühelos vom Sofa. Sie schmiegte sich an den harten vertrauten Körper und kroch auf ihn, als er auf das Sofa sank. Ihre Oberschenkel waren über seinen Hüften gespreizt, ihre Arme umschlangen seinen Hals, ihre Nase presste sich an seine Kehle, und sie weinte an seiner Haut.
    »Lyssa.« Aidans Hände strichen über ihre Wirbelsäule, und seine Lippen drückten Küsse in ihr Haar. »Weine nicht. Es bringt mich um, dich weinen zu sehen.«
    »Stacey kann sich nicht erinnern … niemand erinnert sich …«
    »Sieh mich an«, murmelte er.
    Sie holte tief und bebend Atem. Dann hob sie den Kopf und sah in seine Augen – dunkel wie Saphir und tief. So tief, denn hinter ihnen standen die Erinnerungen von Jahrhunderten.
    Sie legte beide Hände um sein unglaublich
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