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Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt!
Autoren: Thorsten Nesch
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– Du hörst von mir.
    – Blablabla.
    Mit einer Hand seine Nase reibend, trollt er sich.
    – Musste das sein?, fragt Elizabeth leise.
    – Ja. Ganz dringend.
    – Wenn der das einem sagt, dann denkt jeder …
    – Na und.
    Sie steht mühsam auf, als wäre sie Jahre gealtert.
    – Wir sollten erst mal zurück zu Physik, sagt Elizabeth.

11

    – Herein, ruft Herr Berntchen auf unser Klopfen hin.
    Wir öffnen die Tür. Auf dem Weg zurück zur Klasse haben wir kein Wort gesprochen.
    Herr Berntchen schaut uns an, – Setzt euch. Den Versuch habe ich abgebrochen.
    Sämtliche Instrumente sind abgebaut.
    Wir gehen ruhig an ihm vorbei zu unseren Plätzen. Ich weiß nicht, wie Frank sich in meinem Körper fühlt, ich fühle mich wie betäubt.
    Einige pfeifen anzüglich, jemand flüstert, – Elizabeth und Frank, Elizabeth und Frank.
    Wir setzen uns auf unsere Stühle, und das fühlt sich irgendwie ein bisschen nach Sicherheit an.
    Langsam schreitet Herr Berntchen auf uns zu, während er mit einer Hand der Klasse bedeutet, still zu sein. Dann bleibt er stehen und stützt die Hände in die Hüften. Ich habe das Gefühl, etwas sagen zu müssen, ich weiß aber nicht, was.
    Frank muss es genauso gehen, er nimmt mir die Aufgabe ab, – Ist noch was?
    Herr Berntchen seufzt und legt den Kopf schief, – Ist mit euch wirklich alles in Ordnung?
    Wir bejahen.
    – Ihr fühlt euch wohl?
    Wir nicken.
    – Und warum denkt ihr dann, ihr könnt euch einfach umsetzen?, er guckt Frank an, – Elizabeth, du sitzt seit Anfang des Schuljahres da vorne.
    – Ja, kommt nur aus ihm heraus.
    Jetzt dämmert es mir. Ich sitze in dem Körper von Frank auf meinem Platz. Es sieht für alle so aus, als hätten wir spontan die Plätze getauscht.
    Flutsch, da geht die Sicherheit dahin.
    – Und eure Sachen wollt ihr nicht tauschen? Soll der jetzt bei dir ins Heft schmieren?
    Mit
der
meint er mich.
    Alle lachen.
    Wir setzen uns um.
    – Also ich könnte verstehen, wenn ihr einen Arzt sehen wollt. Ich überlege gerade, ob ich euch nicht …
    Es klopft, und die Tür wird aufgerissen, ohne dass auf ein
Herein
von Herrn Berntchen gewartet wurde.
    – Frank Zach, ruft unser Rektor Rupert, der im Türrahmen stehen bleibt.
    Wir beide stehen auf.
    Die Klasse schmeißt sich vor Lachen von den Stühlen.
    – Ruhe!, befiehlt der Direx.
    Mein Körper vor mir setzt sich wieder.
    Kichern und Glucksen überall. Die anderen müssen denken, ich bin über Nacht verblödet.
    Herr Berntchen fasst sich an den Kopf und wendet sich ab.
    Ich schleiche zum Ausgang, der Rektor ist schon verschwunden. Hinter mir höre ich Herrn Berntchen unverständlich mit sich selber reden.
    Ich schließe die Tür. Neben mir wartet ungeduldig der Rektor. Ihm kann es nicht schnell genug gehen.
    Als das Schloss einschnappt, legt er los, – Du warst auf der Mädchentoilette?
    – Ja.
    – Das klingt ja gerade so, als wärst du stolz drauf.
    Ein Albtraum. Ich schließe kurz die Augen.
    – Was ist denn los mit dir?
    Wenn ich Ihnen das sagen würde, hätte Frank wohl recht mit der Klapse.
    – Als sei ein Problem nicht genug bei dir.
    Wieder macht er eine Pause, lang genug, einen Gedanken zu fassen, zu kurz, um ihn zu formulieren.
    – Guckst wie ein Auto, bist nur nicht so schnell.
    Ich hole Luft, aber diesmal ist die Pause noch kürzer, und er kommt mir zuvor, – Machst du das extra?
    Ich schüttele den Kopf.
    – Mir scheint das aber so. Frank, ich muss das deinem Vater melden, das ist dir klar, oder? Wir haben bisher immer ein Auge zugedrückt bei dir, wir, als Schule. Es gibt schwierige Phasen in der Adoleszenz, aber es gibt auch Grenzen. Wie kannst du das deinem Vater antun? Da scheinen wir das eine Problem im Griff zu haben, schon öffnest du die nächste Dose Würmer. Bei all dem, was er durchgemacht hat mit deiner Mutter, Gott sei ihrer Seele gnädig. Und in seinem Amt, als Pfarrer.
    Ich senke meinen Blick, schuldbewusst, weil ich das der Situation entsprechend finde.
    – Ich weiß, dass du es nicht leicht hast, aber du kannst doch nicht aufs Mädchenklo. Ich werde deinen Vater informieren, und sollte das noch einmal vorkommen, werden wir einen Psychologen einschalten müssen.
    Ich nicke.
    – Hast du das verstanden?
    Ich nicke heftiger.
    – Gut, dann geh wieder hinein.

12

    Ich drücke die große Schwingtür des Haupteingangs auf. Die Sonne scheint, und alle stehen draußen in der großen Pause. Elizabeth hat sich wie besprochen etwas hinter mir
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