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Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt!
Autoren: Thorsten Nesch
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Hast du ein Taschentuch?
    Sie näselt stark. Es muss auch durch die Nase gesprudelt sein. Ich hasse das.
    Ich springe zu ihr runter, – Habe ich nicht.
    – Links hinten in meiner Hose. Bei dir!
    Tatsächlich! Ich ziehe die Minitempo-Packung hervor. Da sie sich von mir abwendet und mir nur eine Hand entgegenreckt, fummele ich ein Taschentuch heraus, falte es auf und gebe es ihr.
    Sie geht ein paar Schritte von mir weg, schnäuzt sich die Nase und wischt den Mund ab. Das Taschentuch wirft sie einfach in den Rinnstein. Sie schaut mich an. Ich sehe noch bleicher aus als sonst.
    – Und?
    – Zum Fluss?, schlage ich vor.

13

    Schweigend kraxele ich hinter Frank her. Wir steigen über klobige Steinbrocken, die wie eine eingestürzte Burgmauer hinaus in den Fluss reichen. Fünfzig Meter weiter fließt die Wupper in den Rhein.
    – Müssen wir bis da raus?, frage ich. Wir haben seit dem LKW geschwiegen, selbst in der Bäckerei am Kreisverkehr, wo ich mir ein Wasser und ein Rosinenbrötchen gegen den bitteren Geschmack im Mund geholt habe.
    Die eine Hälfte des Brötchens raschelt in der Tüte in meiner Hand, die andere habe ich gleich in den Mund gestopft und mit etwas Wasser nachgespült.
    – Ja.
    – Warum?
    – Weil man da gut sitzen kann.
    – Auf Steinen?
    – Ja.
    Ich spreize meine Arme ab, um besser auf dem schiefen Untergrund balancieren zu können. Die großen Füße und der fremde Körper sind mir dabei keine große Hilfe.
    – Warst du hier noch nie?, fragt er.
    – Hier auf den Steinen?
    – Ja.
    – Nein. Was soll ich denn hier?
    Er murmelt etwas, zu leise. Es interessiert mich nicht, und ich sage, – Mit dem Fahrrad bin ich über die Wupperbrücke einige Male, nach Wiesdorf. Ist aber schon was her.
    Wir sind am Ende angelangt, Wellen brechen sich glucksend an den Steinen. Aus zementiertem Grund ragt eine rot-weiße Signalstange gen Himmel.
    Er lässt sich so selbstverständlich auf einem Stein nieder, als wäre es sein Wohnzimmersessel.
    Ich will mich schon auf den flachen Zement setzen, da deutet er neben sich, – Da ist auch gut. Bequem, meine ich.
    – Du warst hier echt schon ein paarmal, was!?
    Ich probiere die drei Steine, und es geht wirklich. Ich sitze neben mir selbst. Es ist, als ob mich dauernd jemand ohrfeigt.
    Vor uns kriecht ein Containerschiff flussaufwärts. Dieselschwaden wehen herüber, das Dröhnen der Motoren.
    Ich schraube die Wasserflasche auf, lege den Deckel neben mich und nehme einen tiefen Schluck. Die gleißende Sonne blendet mich, und ich kneife die Augen zu. Samtenes Orange hinter meinen Augenlidern, und ich höre die Wellen. Ich könnte das fast schön finden, wenn nicht … ja, was machen wir denn jetzt? So etwas passiert doch nicht in echt. Das kann man wirklich keinem erzählen.
    Ich setze die Flasche ab, halte sie aber noch in den Händen, – Frank, was …? Was machen wir denn jetzt?
    – Ich … hab keine Ahnung.
    Er guckt meine braunen Arme an und sagt, – Ich bin hier öfter, sitze oft in der Sonne. So braun werde ich trotzdem nicht.
    Ich drehe die Arme, seine, schon die ersten Haare, einzelne sogar auf den Fingerknöcheln. Mit achtzehn ist er ein Affe.
    – Macht nix, das wird schon, sage ich.
    Sein Magen knurrt.
    – Hunger?, frage ich. Ich hätte auch fragen können: Habe ich Hunger? Ist ja mein Magen.
    – Hmh.
    – Warum haste dir eben nichts geholt?
    – Ist noch nicht Mittag.
    – Und?
    – Dann hole ich mir was.
    – Aber wenn du jetzt hungrig bist, wa…
    – Fuck, nicht jeder scheißt Kohle wie du.
    – Sorry.
    Hätte ich ihn einladen sollen? Ich wusste ja nicht …
    – Hey!, sage ich und werfe ihm den Rest Rosinenbrötchen zu.
    Er fängt es auf und nickt.
    Kein Danke.
    – Danke sagt man da.
    – Danke für die Speisereste, sagt er und beißt ab.
    – Du musst ja nicht … Frank, was machen wir denn jetzt?
    Frank schmatzt.
    Ich schmatze quasi.
    – Kannst du den Mund zumachen beim Essen?, frage ich.
    – Wabumm?, fragt er mit vollem Mund zurück.
    Ich schließe kurz die Augen.
    Weil das in meinem Körper etwas ausmacht, in deiner Gestalt ja nicht. Ich verkneife mir den Spruch.
    – Es ist einfach angenehmer für alle, sage ich.
    – Bist doch nur du hier.
    Eine Möwe landet unweit von uns und starrt herüber.
    – Aber allgemein.
    Was will ich dem denn erklären?
    – Warum hast du auch einfach den Schalter umgelegt?, frage ich, und meine Stimme fällt rauer aus als gewollt.
    – Ich? Wir! Wir! Ich habe dich
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