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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht
Autoren: Eva-Maria Bast
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Und vermutlich gibt es auch in dieser Familie viel Disharmonie. Das wirkt alles viel zu glatt und lässt sich so gar nicht mit Frau Meierles Reaktion auf meine Frage in Einklang bringen.
    Und während all der Stunden, die sie nun noch beisammensaßen und in denen die alte Dame der jungen Frau von ihrer Familie erzählte, fragte sich Alexandra, ob sich Elisabeth Meierle wirklich so leicht hatte ablenken lassen oder ob sie ihr ihrerseits etwas vormachte. Ob sie dankbar nach dem Strohhalm gegriffen hatte, den Alexandra ihr gereicht hatte. Als einer günstigen Gelegenheit, von ihrem augenscheinlichen Erschrecken abzulenken.

Zweites Kapitel
    Konstanz
    Gegen 13 Uhr hatte Wolfgang Gruber das Gefühl, das Lächeln sei ihm auf dem Gesicht festgefroren. Wenn jetzt noch einer kommt und saudumme Fragen stellt, dann haue ich ihm eine in die Fresse, dachte er wütend. Wolfgang Gruber kandidierte in Konstanz als Oberbürgermeister. Es war ein sonniger Samstagvormittag, der erste nach drei verregneten Wochenenden, und ganz Konstanz war auf dem Markt unterwegs. Eine hervorragende Gelegenheit, Wahlkampf zu machen. Der Ansicht waren auch die anderen Kandidaten, allesamt Affen, wie Gruber fand. Da schenkte der Kandidat Häberle den Damen doch tatsächlich Rosen. Rot wie die Farbe der Partei, die er vertrat. Gruber schnaubte verächtlich. Der machte sich ja wirklich zum Narren. Wer schenkte Frauen denn schon Blumen! Er hatte seiner Beate noch nie eine einzige Blume geschenkt! Und seine jeweilige Geliebte versorgte er schon gar nicht mit blühenden Geschenken.
    Das würde schon so ein Oberbürgermeister sein, der Häberle, der immer versuchen würde, alles schönzureden und mit charmanten Gesten über seine Unfähigkeit hinwegzutäuschen. Er, Gruber, hingegen, würde Konstanz mit eiserner Hand führen. Statt Blumen zu verteilen, würde er sie lieber am Wegesrand pflücken. Was er an Weibern kriegen würde, würde er mitnehmen. Ein schmieriges, gieriges Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Die Frauen würden ihm zu Füßen liegen. Mehr noch als jetzt. Mit seiner schlanken, muskulösen Erscheinung, den dunklen, ohrlangen Haaren, die sich an den Schläfen leicht grau färbten, und den grünen Augen, die immer ein wenig sehnsüchtig schimmerten, sah Gruber gut aus und er wusste es. Auch sein Lächeln kam gut an. Es war stets ein bisschen wehmütig, als berge er ein schmerzliches Geheimnis. Was ja auch der Fall war, aber das ging keinen etwas an. Der Blick und das Lächeln waren wohl das einzig Gute, was er aus der Vergangenheit mitgebracht hatte. Denn einen solch sehnsüchtigen Ausdruck konnte man sich nicht antrainieren, den hatte man nur, wenn man sein Leben lang einem Traum hinterherlief. Und die Wehmut seines Lächelns kam tief aus seiner Seele, einer Seele, die jahrelang gequält worden war und der auch die Sehnsucht entsprang, die sich in seinen Augen spiegelte. Es war die Sehnsucht nach Anerkennung.
    Auf beides, Blick und Lächeln, fuhren die Weiber voll ab. Sie waren nämlich dumm genug zu denken, dass der sehnsüchtige Blick ihnen gälte, und das wehmütige Lächeln schien ihnen Ausdruck einer großen geistigen Tiefe zu sein.
    Gruber ließ sie in dem Glauben. Ihm sollte es recht sein. Und er fand es durchaus gerechtfertigt fremdzugehen. Schließlich besaß Beate, seine Frau, schon seit Jahren keine Fantasie mehr im Bett – außerdem war sie wenig attraktiv und hatte dauernd Migräne. Und sie pflegte sich in Liebestöter-Unterwäsche zu hüllen. Wenn er das Zeug schon auf der Wäscheleine sah, starb jegliche Lust, die er ihr eventuell hätte entgegenbringen können, ab. Hautfarbene Riesenunterhosen. Schmucklose BHs. Nicht der Hauch von Spitze, nichts Verspieltes. Nichts, was seine Fantasie hätte beflügeln können und darüber hinwegtäuschen konnte, dass er sie nicht mehr liebte. Dass er sie nie geliebt hatte.
    Das konnte keiner von einem Mann verlangen, dass er unter diesen Umständen treu blieb! Noch dazu neben einem Mauerblümchen wie Beate. Wo die Welt doch so wunderbare Gelegenheiten bot.
    Er äugte nach rechts, um einen Blick ins tiefe und üppige Dekolleté seiner Mitbewerberin, Martha Fraunhoff, zu wagen. Verdammt, machte dieses Weib ihn an. Gerade deshalb, weil er sah, dass auch die anderen Männer von ihr regelrecht magisch angezogen wurden. Doch genau das störte ihn freilich wieder. Schließlich war die schwarz gelockte Mittvierzigerin seine Konkurrentin. Die wählen halt mit dem Schwanz statt mit dem Kopf, dachte
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