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Vergiss die Toten nicht

Vergiss die Toten nicht

Titel: Vergiss die Toten nicht
Autoren: Mary Higgins Clark
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stecken blieb, spielte ein finsteres Lächeln um seine Lippen.
    Doch dieses Lächeln verschwand schlagartig, als Sam klarwurde, dass seine Lage mit der dieses Autofahrers vergleichbar war. Um es zu seiner jetzigen Position zu bringen, hatte er so manche Klippe umschiffen müssen. Nun aber wurde ihm ein schier unüberwindliches Hindernis in den Weg gestellt.
    Zum ersten Mal seit seiner Jugend fühlte er sich plötzlich wieder wie ein Gejagter.
    Krause war fünfzig Jahre alt, kräftig gebaut und von durchschnittlicher Größe. Seine Haut war wettergegerbt, und er hatte schütteres Haar. Da er sich meist nicht um die Meinung seiner Mitmenschen scherte, legte er keinen großen Wert auf sein Äußeres. Allerdings wirkte er wegen seines unerschütterlichen Selbstbewusstseins, seines scharfen Verstandes und der zynisch funkelnden schiefergrauen Augen anziehend auf Frauen. Manche Menschen achteten ihn, doch es gab noch mehr, die sich vor ihm fürchteten. Gemocht wurde er nur von wenigen. Sam empfand für sie alle nur Spott und Verachtung.
    Das Telefon läutete, und kurz darauf surrte die Gegensprechanlage seiner Sekretärin. »Mr. Lang«, meldete sie.
    Sam verzog das Gesicht. Die Immobilienfirma Lang war gemeinsam mit Cauliff und Krause bei diesem Bauvorhaben der Dritte im Bunde. Sam beneidete Peter Lang um seine Herkunft aus reichem Hause. Gleichzeitig musste er zugeben, dass der Mann wirklich ein Genie war, wenn es darum ging, scheinbar wertlose Grundstücke in Goldgruben zu verwandeln.
    Er schlenderte zum Schreibtisch und hob den Hörer ab. »Ja, Peter? Ich dachte, Sie wären auf dem Golfplatz.«
    Peter rief tatsächlich aus der Villa an der Küste von Southampton an, die er von seinem Vater bekommen hatte. »Da haben Sie sogar Recht. Ich wollte nur nachfragen, ob die Sitzung wirklich stattfindet.«
    »Das tut sie«, erwiderte Sam und legte auf, ohne sich zu verabschieden.

7
N
    ells Zeitungskolumne trug den Titel »Stadtgespräch« und wurde dreimal wöchentlich im New York Journal veröffentlicht. Sie setzte sich aus vermischten Meldungen darüber zusammen, was sich gerade in der Stadt tat. Die Themen reichten von Kunst und Politik bis hin zu Prominenten und Sozialem. Nell verfasste die Kolumne seit zwei Jahren, also seit Mac in den Ruhestand getreten war und sie Bob Gormans Bitte, auch weiterhin das New Yorker Kongressbüro zu leiten, abgelehnt hatte.
    Mike Stuart, der Verleger des Journal, war ein langjähriger Freund von Nell und Mac. Die Kolumne war sein Vorschlag gewesen.
    »Mit deinen vielen Leserbriefen arbeitest du im Grunde kostenlos für uns, Nel «, hatte er zu ihr gesagt. »Du hast einen ausgezeichneten Stil und außerdem Verstand. Was hältst du davon, dich zur Abwechslung mal dafür bezahlen zu lassen, dass du deine Meinung verbreitest?«
    Ich werde wohl auch diese Kolumne aufgeben müssen, wenn ich kandidiere, dachte Nell, als sie in ihr Arbeitszimmer ging.
    Auch? Was soll denn das?, fragte sie sich. Nachdem Adam am Morgen das Haus verlassen hatte, hatte Nell sich mit wütender Verbissenheit in die Arbeit gestürzt. In weniger als einer halben Stunde räumte sie den Tisch ab, spülte das Geschirr und machte das Bett. Dann fiel ihr ein, dass Adam sich am Vorabend im Gästezimmer ausgezogen hatte. Als sie dort nachsah, fand sie auf dem Bett sein marineblaues Sakko und seinen Aktenkoffer.
    Die hat er in seiner Wut heute Morgen wohl vergessen, dachte Nel . Wahrscheinlich wollte er zu einer Baustelle, denn er hatte nur eine leichte Windjacke an. Wenn er sein Sakko und den Aktenkoffer braucht, muss er eben noch einmal nach Hause kommen – oder noch besser, die Sachen von jemandem abholen lassen. Heute spiele ich nicht den Laufburschen. Sie hängte das Sakko in den Schrank und brachte den Aktenkoffer in den kleinen Raum, den sie beide als Arbeitszimmer benutzten.
    Eine Stunde später saß sie, frisch geduscht und in ihrer
    »Uniform« – wie sie Jeans, schlabberiges Sweatshirt und Turnschuhe nannte –, an ihrem Schreibtisch. Inzwischen konnte sie sich der Erkenntnis nicht länger verschließen, dass ihr Verhalten nicht unbedingt zur Entspannung der Lage beigetragen hatte. Hatte sie Adam nicht selbst gesagt, dass er heute Abend nicht nach Hause zu kommen brauchte?
    Was ist, wenn er das ernst genommen hat?, fragte sie sich.
    Doch an so etwas durfte sie gar nicht denken. Auch wenn wir zurzeit eine schwere Krise durchmachen, ändert das nichts an unseren Gefühlen füreinander.
    Gewiss ist er jetzt schon im
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