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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet
Autoren: Thomas Enger
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genießen, denn im nächsten Augenblick wurde ihm ein Koffer zugeschoben.
    »Es muss schnell und still vonstattengehen. Keine Spuren. Keine Fragen. Und kein Schnitzer dieses Mal.«
    Mjønes nickte. Im Idealfall hatte er reichlich Zeit, sich vorzubereiten, andererseits war er aber auch für seine schnellen Lösungen bekannt. Und in seinem Kopf hatte er bereits eine Variante parat. Er kam nicht mehr dazu, Goofy weitere Fragen zu stellen, denn im nächsten Augenblick schlug ganz in der Nähe eine Tür zu. Als Mjønes die Säule umrundete, war Goofy weg.
    Mjønes blieb einige Minuten stehen und dachte über den Auftrag nach, den auszuführen er gezwungen worden war. Möglicherweise bluffte Goofy nur, aber Mjønes hatte sich bereits entschieden, bevor die Drohung und das Geld ins Spiel gekommen waren. Dies war seine Chance, seine Schuld zu begleichen. Darüber hinaus noch großzügig bezahlt zu werden, war ein nicht zu verachtender Bonus. Es war geraume Zeit her, dass er einen Auftrag von dieser Größenordnung bekommen hatte. Er spürte bereits das Zittern. Alle Sinne schärften sich. Er fühlte sich so lebendig wie schon lange nicht mehr.
    Die fünf Tage sind schnell vergangen, denkt Mjønes und bereitet sich innerlich auf die Landung vor. Und es ist viel geschehen. Gleichzeitig so wenig. Vielleicht konnte er deswegen nicht schlafen. Vielleicht findet sein Körper erst Ruhe, wenn alles vorbei ist. Zu Hause wird er auch nicht viel Zeit zum Ausruhen haben, denn schon in wenigen Stunden soll die Operation losgehen, und dann muss alles an seinem Platz sein.
    Das Flugzeug landet, und eine halbe Stunde später sitzt Mjønes im Zug nach Oslo. Er denkt an die Schatulle in seinem Koffer und an den dreisten, teuflischen Plan, den er geschmiedet hat.
    Ein genialer Plan, wenn alles funktioniert.
    7
    Henning starrt aus dem Fenster, während die Stille zwischen den Wänden hin und her wabert. Über die weiße Fassade auf der gegenüberliegenden Straßenseite ziehen sich braune senkrechte Schmutzstreifen. Sein Blick wandert weiter über Fensterrahmen und kunstvolle Dekorationen. Nicht nach unten schauen. Niemals nach unten schauen.
    Hinter einem gardinenlosen Fenster geht eine Frau im Zimmer auf und ab. Sie telefoniert und gestikuliert dabei aufgeregt mit dem Arm. Henning muss an sein Gespräch mit Erling Ophus denken. Natürlich hat Ophus recht. Er bewegt sich auf dünnem Eis, wenn er glaubt, jemand habe das Feuer gelegt. Was ihm fehlt, sind handfeste Beweise. Aber woher soll er die nehmen?
    Vielleicht stimmt es ja, dass er nur nach einer anderen Erklärung sucht, um sich der Wahrheit nicht stellen zu müssen. Und unabhängig davon, ob jemand das Feuer gelegt hat oder nicht, ändert dies nichts an der Tatsache, dass er Jonas hätte retten können, wenn seine Augen nicht vom Feuer verklebt gewesen wären und er nicht auf dem verfluchten glatten Geländer ausgerutscht wäre. Wenn er nicht so verdammt …
    Das Vibrieren des Handys auf dem Küchentisch reißt ihn aus seinen Gedanken. Ihm ist überhaupt nicht danach, mit jemandem zu reden, aber die neun Buchstaben auf dem Display machen ihn neugierig. Er nimmt das Handy ans Ohr und antwortet.
    »Passt es jetzt besser?«
    Tore Pullis Stimme ist tiefer, als Henning sie in dem Verkehrslärm in Grønland wahrgenommen hat.
    »Ähm, ja, aber …«
    »11. September 2007.«
    Henning stockt.
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Ich weiß, was an dem Tag passiert ist.«
    Hitze überfliegt Hennings Gesicht. Etwas Scharfes rumort in seinem Magen, und sein Hals schnürt sich zu. Er versucht zu schlucken.
    »Sie haben Ihren Sohn verloren«, fährt Pulli fort.
    »J… ja«, antwortet Henning mit trockener Stimme. »Das habe ich. Was wissen Sie darüber?«
    »Hören Sie mir jetzt zu? Haben Sie jetzt Zeit für mich?«
    »Ja, ich habe Zeit für Sie«, sagt er, nachdem er sich vom ersten Schock erholt hat. »Was wollen Sie? Warum reden Sie über meinen Sohn?«
    »Ich habe etwas für Sie.«
    »Das sagten Sie bereits. Was hat das mit meinem Sohn zu tun?«
    Henning hat sich auf die Zehenspitzen gestellt, ohne es zu merken.
    »Nichts. Nicht direkt.«
    »Wie meinen Sie das? Und lassen Sie dieses nebulöse Gequatsche, Pulli, ich verliere allmählich die Ge…«
    »Sie wissen, wer ich bin?«
    »Ja, das habe ich doch bereits gesagt. Warum?«
    »Dann verstehen Sie vielleicht, weshalb ich anrufe?«
    Henning denkt nach. Er kann sich nicht erinnern, irgendetwas über Tore Pulli gelesen zu haben, seit er im Frühsommer wieder
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