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Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Titel: Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)
Autoren: Henryk M. Broder
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die eigene Geschichte zu immunisieren, ist eine Autoimmunerkrankung geworden. Ob es um den Einsatz in Jugoslawien oder in Afghanistan geht, um Atom, Gentechnik, Stammzellen, Sterbehilfe – immer steht das Nazi-Menetekel an der Wand und fordert seinen Tribut. Das ritualisierte Gedenken verschafft keine Erleichterung, sondern produziert auf die Dauer Überdruss – wie Liebeserklärungen an einen Partner, den man am liebsten los wäre. Die Solidarität mit den Palästinensern ist der therapeutische Umweg zur Selbstheilung.
    Das daraus resultierende Interesse an Israel trägt alle Züge einer Obsession. Es ist irrational, es ist zwanghaft, es ist unheilbar. Die Schar der »Israelkritiker« reicht vom Feuilleton der FAZ, der SZ und der taz über die Evangelische Akademie Bad Boll bis zum letzten Stammtisch in Wunsiedel. Wäre das Schicksal der Juden zwischen 1933 und 1945 ebenso vielen Menschen ebenso nahegegangen, hätten die Nazis die »Endlösung« absagen müssen. Gibt man bei Google »Frieden für Palästina« ein, bekommt man 1.880.000 Treffer, bei »Frieden für Tibet« sind es immerhin noch 741.000 Treffer, bei »Frieden für Tschetschenien« nur noch 146.000. Dabei hat der Konflikt um Tschetschenien mehr Menschen das Leben gekostet als alle Nahostkriege zusammengenommen.
    Nachdem Bundeskanzler Schröder und sein Gast, der russische Präsident Wladimir Putin, im April 2005 an einem Mahnmal in Hannover einen Kranz niedergelegt hatten, um an die 386 KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen zu erinnern, darunter 154 sowjetische Soldaten, die in den letzten Kriegstagen ermordet worden waren, wollten Angehörige der »Gesellschaft für bedrohte Völker« ebenfalls einen Kranz zur Erinnerung an die 200.000 Toten in Tschetschenien niederlegen. Sie durften es erst, nachdem Putin aus Hannover abgereist war. Kurz zuvor hatte Schröder bei einer Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus im ehemaligen KZ-Buchenwald erklärt, man dürfe der »Versuchung zum Vergessen oder zum Verdrängen nicht nachgeben«. Aber: Der Boden der deutschen Geschichte reicht nicht bis nach Tschetschenien, Putin ist ein »lupenreiner Demokrat«, und das, was in Tschetschenien passiert, lässt, anders als die Ereignisse in Palästina, die Deutschen so kalt wie die Lage der allein erziehenden Mütter auf den nördlichen Aleuten.
    Ihr obsessives Interesse an der Israel-Frage speist sich vor allem aus einer Quelle: dem Wunsch, irgendjemand möge den Job zu Ende bringen, den die Nazis nicht vollendet haben, um die Deutschen von ihrem exklusiven Kainsmal zu befreien. Würden es die Palästinenser beziehungsweise die Araber tun, hätte das außerdem noch den Vorteil, dass es Semiten wären, also Blutsverwandte der Betroffenen. Es wäre der Nachweis, dass niemand mit den Juden in Frieden leben kann, nicht einmal Angehörige der eigenen Mischpoche.
    Mir ist klar, dass ich von nun an gefragt werde, ob ich es wirklich so meine oder ob es sich nur um eine »Provokation« meinerseits handle. Ja, ich meine es nicht nur so, ich bin davon überzeugt. Zugleich bin ich zuversichtlich, dass es nicht dazu kommen wird. Denn der Judenhass der Araber ist nicht so genuin und nicht so tief in der arabischen Kultur verankert wie der Antisemitismus der Europäer. Er ist explosiv, aber nicht nachhaltig. Sie werden nicht so dumm sein, für andere die Drecksarbeit zu erledigen. Man soll auch, allem Geschrei zum Trotz, den Pragmatismus der Araber nicht unterschätzen. Sie wissen, dass sie Israel brauchen, wenn sie dem iranischen Atomprogramm mehr als nur Worte entgegensetzen wollen. Und wenn das iranische Regime erst einmal Geschichte ist, werden die Karten im Nahen und Mittleren Osten sowieso neu gemischt.
    Den deutschen »Israelkritikern« empfehle ich deswegen, entweder kollektiv zum Therapeuten zu gehen, um sich von ihrem »Judenknacks« heilen zu lassen, oder neue Verbündete zu suchen. Derzeit bieten sich die ultraorthodoxen Juden in Israel an, die Israel entzionisieren und in einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild verwandeln wollen. Als bekennender Agnostiker mit einem leichten Hang zum Atheismus kann ich dazu nur eines sagen: Gott behüte!

Abbildung 12
    Vergesst Auschwitz – bevor es zu spät ist!
    Im Sommer letzten Jahres empfing Günter Grass den israelischen Journalisten Tom Segev zu einem längeren Gespräch. Aktueller Anlass war die Publikation des Grass-Romans »Beim Häuten der Zwiebel« in einem israelischen Verlag.
    Segev spricht
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