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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen
Autoren: Michael Connelly
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können jeden Moment eintreffen. Und mit dem SWAT-Team wollen Sie sich doch sicher nicht anlegen. Am besten kommen Sie jetzt gleich raus.«
    »Sie müssen nur wissen, dass ich sie geliebt habe, mehr nicht.«
    Bosch zögerte, bevor er etwas sagte. Er schaute zu Rider hinüber und dann auf die Tür. Er hatte zwei Möglichkeiten. Er konnte versuchen, jetzt sofort ein Geständnis von Stoddard zu kriegen, oder er konnte versuchen, ihn zum Verlassen des Hauses zu überreden und sein Leben zu retten. Beides war möglich, aber nicht wahrscheinlich.
    »Was ist nun eigentlich genau passiert?«, fragte er.
    Stoddard begann erst nach langem Schweigen zu sprechen.
    »Was passiert ist? Sie wollte das Baby behalten und begriff nicht, dass das alles ruinieren würde. Wir mussten es wegmachen lassen, und dann sah sie hinterher plötzlich alles anders.«
    »Das mit dem Baby?«
    »Nein, das mit mir. Alles.«
    Bosch antwortete nicht. Nach einer Weile fuhr Stoddard fort: »Ich habe sie geliebt.«
    »Aber Sie haben sie umgebracht.«
    »Ich habe Fehler gemacht.«
    »Wie an diesem Abend?«
    »Über diesen Abend möchte ich nicht sprechen. Ich möchte mich an die Zeiten vor diesem Abend erinnern.«
    »Das kann ich Ihnen nicht verdenken.«
    Bosch sah Rider an und hielt drei Finger hoch. Sie würden bis drei zählen.
    Rider nickte. Sie war bereit.
    Bosch ließ einen Finger sinken.
    »Wissen Sie, was ich nicht verstehe, Mr. Stoddard?«
    Er senkte den zweiten Finger.
    »Was?«, fragte Stoddard.
    Bosch senkte den dritten Finger, hob sein Bein und trat damit gegen die Tür. Es war eine Sandwichtür. Sie gab sofort nach und flog krachend auf. Bosch wurde von seinem eigenen Schwung in das Zimmer getragen. Er riss seine Waffe hoch und drehte sich zum Bett.
    Stoddard war nicht dort.
    Bosch drehte sich weiter und erhaschte im Spiegel einen Blick auf Stoddard. Er stand in der Ecke gegenüber der Tür. Er hob den Lauf eines langläufigen Revolvers an seinen Mund.
    Bosch hörte Rider schreien, und ihr Körper kam durch die Tür geschossen, als sie sich auf Stoddard warf.
    Das Zimmer erzitterte vom Krachen eines Schusses, als Rider und Stoddard zu Boden gingen. Der Revolver fiel Stoddard aus der Hand und landete scheppernd auf dem Boden. Bosch stürzte auf sie zu und warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf Stoddard, als Rider sich von ihm rollte.
    »Bist du getroffen, Kiz?«
    Keine Antwort. Bosch versuchte, zu ihr zu schauen, während er Stoddard bändigte. Rider hielt eine Hand an die linke Seite ihres Kopfs.
    »Kiz?«
    »Ich bin nicht getroffen!«, brüllte sie. »Ich glaube, ich bin nur auf einem Ohr taub.«
    Stoddard versuchte, sich aufzurichten, obwohl Bosch mit vollem Gewicht auf ihm saß.
    »Bitte!«, sagte er.
    Mit dem Unterarm stieß Bosch Stoddard den Arm, mit dem er sich aufzustützen versuchte, unter dem Körper weg. Stoddard landete mit dem Brustkorb auf dem Boden, und Bosch zog ihm rasch den Arm auf den Rücken und legte ihm eine Handschelle an. Nach halbherzigem Gerangel zog er ihm auch den anderen Arm nach hinten und ließ die andere Handschelle einschnappen. Dann beugte er sich vor und fragte Stoddard: »Bitte was?«
    »Bitte lassen Sie mich sterben.«
    Bosch stand auf und zog Stoddard hoch.
    »Das wäre zu einfach für Sie, Stoddard. Das wäre, als ließe ich Sie noch mal davonkommen.«
    Bosch sah zu Rider hinüber, die inzwischen aufgestanden war. Er konnte sehen, dass ihr Haar durch den Schuss angesengt worden war. So knapp war es gewesen.
    »Bei dir alles in Ordnung?«
    »Sobald das Pfeifen aufhört.«
    Bosch blickte nach oben und sah das Einschussloch in der Decke. Er konnte Sirenen näher kommen hören. Er packte Stoddard am Ellbogen und zog ihn zur Tür.
    »Ich gehe jetzt runter und verfrachte den Kerl in ein Auto. Wir verhaften ihn in Devonshire und halten ihn bis zur Anklageerhebung dort fest.«
    Rider nickte, aber Bosch entging nicht, dass sie noch damit beschäftigt war, das eben Geschehene zu verarbeiten. Das Pfeifen in ihrem Ohr erinnerte sie daran, wie knapp sie dem Tod entronnen war.
    Bosch hielt Stoddard am Arm, als er ihn die Treppe hinunterführte. Als sie das Wohnzimmer erreichten, begann Stoddard mit verzweifelter Stimme zu sprechen.
    »Sie könnten es jetzt tun.«
    »Was?«
    »Mich erschießen. Einfach sagen, ich hätte zu fliehen versucht. Mir eine der Handschellen abnehmen und sagen, ich hätte mich losgerissen. Sie wollen mich doch umbringen, oder nicht?«
    Bosch blieb stehen und sah ihn an.
    »Ja, ich würde Sie
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