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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung
Autoren: Val McDermid
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auf dem Display erkannte, erschrak er so fürchterlich, dass er fast gegen die Leitplanke gefahren wäre. Die Reifen seines Wagens ratterten über die Noppen an der Fahrbahnbegrenzung, und es klang wie ein Maschinengewehr. Völlig verdattert nahm er den Anruf entgegen und schrie in den Hörer. »Ich bin’s. Ich bin hier. Geht’s dir gut?«
    »Es würde mir besser gehen, wenn du dich mit deinen SMS nicht so aufspielen würdest«, antwortete sie. Sie klang gar nicht freundlich. »Wo ist Vance?«
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Tony.
    »Kein besonders guter Profiler also.«
    Er ignorierte die Beleidigung. Sie versuchte, ihn auf die Palme zu bringen. Zumindest hoffte er das. »Wo bist du?«
    »In Vinton Woods. Ich beobachte das Haus, aber ich glaube nicht, dass er hier ist. Wo ist Ambrose?«
    »Auf dem Weg zu dir, genau wie ich.«
    »Ich habe versucht, ihn anzurufen, aber er geht nicht dran. Es gibt nur eine Straße, die in diese Wohnanlage hineinführt. Ich denke, sie sollten sich außerhalb positionieren. Wenn Vance etwas wittert, wird er nicht in die Siedlung einbiegen; dann verlieren wir ihn. Und diesmal werden wir nicht praktischerweise einen Hinweis auf Terry Gates’ Festplatte finden.«
    »Du hast recht«, pflichtete Tony bei.
    »Ich weiß, dass ich recht habe, aber ich schaffe es nicht, Ambrose das mitzuteilen. Ich weiß nicht, ob er meine Anrufe ignoriert, aber ich komme einfach nicht durch. Du musst ihn anrufen und es ihm sagen. Auf dich wird er hören, denn er denkt, dass du Ahnung davon hast, was hier abläuft.«
    Sie ist kurz vorm Durchdrehen, dachte er. Sie drehte durch, und er war immer noch viel zu weit weg. »Selbst wenn ich ihn erreiche, wird er nicht auf mich hören. Ich bin kein Polizist. Ich habe hier keinerlei Weisungsbefugnis. Du musst mit Patterson sprechen oder in der Befehlskette weiter nach oben gehen. Ich kann da nichts tun, Carol.«
    »Damit meinst du, dass du es nicht tun willst «, giftete sie in bitterem Tonfall. »Du bist verzweifelt, nicht wahr? Du hast Mist gebaut und jetzt überkompensierst du. Du glaubst, mich beschützen zu müssen. Bevor es dazu kommt, dass ich mich Vance entgegenstelle, würdest du ihn lieber davonkommen lassen, denn du glaubst, dass ich es nicht packen werde und umkomme. Aber du irrst dich, Tony. Ich weiß genau, was ich tue, und wenn du mir nicht helfen willst, dann verpiss dich.«
    Sie hatte aufgelegt. Tony hämmerte mit der Faust auf das Lenkrad. »Großartig«, schrie er. »Verdammt großartig.« Eine Welle des Selbstekels durchflutete ihn, aber seine Wut legte sich. Das einzig Positive war, dass Vance nicht da gewesen war, als Carol dort ankam. Die Konfrontation war zwar nur aufgeschoben, doch wenigstens war noch nichts passiert.
    Sein Hirn arbeitete auf Hochtouren, während er weiterfuhr. Was wusste er, und was waren seine Möglichkeiten? Warum war Vance nicht zu seinem Basislager zurückgekehrt? Er war doch bereits lange unterwegs gewesen. Er musste sich so langsam mal ausruhen, aber nicht in einem Hotelzimmer, wo er seine Umgebung nicht voll unter Kontrolle hatte. Er musste sein Aussehen verändern, und zwar an einem Ort, wo niemand darauf achten würde, dass er beim Herauskommen anders aussah als beim Hineingehen. Es gehörte zum Raubtierinstinkt, immer wieder zum Versteck zurückzukehren. Warum war Vance also nicht in Vinton Woods? Wo konnte er sein? Und warum?
    Tony kaute das Problem wieder und wieder durch, während er an Manchester, Stockport, Ashton und Oldham vorbeifuhr und dann über die M62 raste. Es war nur noch wenige Meilen bis zur Abfahrt Bradfield. Er war jetzt schon in der Nähe von Vinton Woods. Bald konnte er dort mit Carol seinen Streit austragen.
    Aber die Frage nach Vance’ Verbleib quälte ihn weiter.
    »Du willst, dass wir leiden, dass wir mit dem Schmerz leben müssen«, murmelte er. »Man könnte sagen, dass bis jetzt nur Carol diesen Schmerz in vollem Maße erfahren hat. Micky und ich haben nur einen Vorgeschmack bekommen.« Er umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel schmerzten.
    »Selbst wenn das bei Micky eigentlich hätte ausreichen sollen, ging es letztendlich doch gründlich daneben. Zwei Pferde und ein Stallbursche sind umgekommen. Das mag traurig sein, aber es ist nicht wirklich eine Tragödie. Nicht mal für Betsy, die Pferdeliebhaberin. Das wirst du nicht auf sich beruhen lassen können. Aber heute Nacht kannst du nichts ausrichten. Es wird dort vor Polizisten nur so wimmeln. Du wirst also warten
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