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Verführer der Nacht

Titel: Verführer der Nacht
Autoren: Christine Feehan
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dieser Familie, Colby, und du wärst es auch, wenn die Adoption durchgegangen wäre.«
    Colby schaute zu Boden. Seine Worte trafen ihren wundesten Punkt. Armando Chevez hatte sie nie adoptiert. Auf seinem Totenbett hatte er ihr die Gründe dafür gestanden, mit beschämt gesenktem Kopf und Tränen in den Augen, während sie seine Hand gehalten hatte. Er hatte sich gewünscht, dass sein Großvater nachgab und ihn wieder in die Familie aufnahm. Aber aufgrund der Umstände von Colbys Geburt war Armando klar gewesen, dass sein Großvater in Brasilien ihm nie verzeihen würde, wenn er sie adoptierte. Und irgendwann war es zu spät gewesen, all den erforderlichen Papierkram zu bewältigen. Armando Chevez hatte sich geschämt, dass er Colbys bedingungslose Liebe zu ihm wegen einer Familie, die nicht einmal auf den Brief eines Sterbenden reagierte, verraten hatte. Colby war ihm gegenüber loyal und liebevoll geblieben, hatte ihn gepflegt, ihm vorgelesen und ihm bis zu seinem Todestag Trost gespendet. Und sie war ihm gegenüber auch heute noch loyal. Es kam nicht darauf an, dass er sie nie adoptiert hatte – Armando Chevez mochte nicht ihr leiblicher Vater sein, doch in ihrem Herzen war er ihr Vater.
    Dass die Familie Chevez sie ablehnte, war ihr immer gleichgültig gewesen, aber Armando hatte sie mit jeder Faser ihres Seins geliebt, genauso leidenschaftlich, wie sie ihre Geschwister liebte. Was sie anging, hatten die Chevez' weder Armando noch seine Kinder verdient. Und die zwei De La Cruz-Brüder, Bewacher und Schlägertrupp der Chevez-Familie, konnten direkt in die Hölle zurückgehen, die sie ausgespuckt hatte! Die beiden waren unmittelbar für den Hass verantwortlich, den Armandos Großvater für Colby empfunden hatte. Sie war nicht gut genug, um ein Mitglied der Familie Chevez zu sein, und dasselbe galt für ihre geliebte Mutter. Armandos Großvater hatte entschieden, dass sie von seiner illustren Familie niemals akzeptiert werden könnten, und seine Gründe unmissverständlich klargemacht. Colbys Mutter hatte den Vater ihrer ältesten Tochter nie geheiratet, sodass auf Colbys Geburtsurkunde kein Name stand, und Armandos Großvater war nicht gewillt, ein »Ami-Flittchen«, wie er sich ausdrückte, und seinen Bastard in seine reinblütige Familie aufzunehmen.
    Als Ben und sie nun durch den Gemüsegarten zum Haus gingen, verlangsamte Colby ihre Schritte, um ihre ganze Kraft auf ihre Selbstbeherrschung zu konzentrieren. Es war wichtig, ruhig und gelassen zu bleiben und normal zu atmen. Mit kampflustig gerecktem Kinn und hocherhobenem Haupt ging sie weiter, um die ach so mächtigen De La Cruz-Brüder und die Mitglieder der Familie Chevez zu treffen, die gekommen waren, um ihren Bruder und ihre Schwester und ihre Ranch zu stehlen.
    Sie hatten sich alle auf ihrer kleinen Veranda versammelt. Juan und Julio Chevez ähnelten Armando so sehr, dass Colby blinzeln musste, um die Tränen, die unerwartet in ihren Augen brannten, zu unterdrücken. Sie musste sich in Erinnerung rufen, dass das die Familie war, die ihre Mutter so grausam abgelehnt hatte, weil sie ein uneheliches Kind bekommen hatte. Dieselbe Familie, die die Bitten ihres geliebten Stiefvaters kaltschnäuzig ignoriert und zugelassen hatte, dass er starb, ohne auch nur ein Wort von seinen Verwandten zu hören. Aber schlimmer als alles andere war, dass sie hier waren, um Paul und Ginny mitzunehmen und die Ranch, das letzte Vermächtnis ihres Vaters, für sich zu vereinnahmen.
    Ben, dem auffiel, wie Colby ihr Kinn vorstreckte, stieß einen schweren Seufzer aus. Er kannte Colby fast ihr ganzes Leben lang. Sie hatte einen Dickschädel, der sich sehen lassen konnte. Falls diese Männer sie unterschätzten, weil sie jung und hübsch war und klein und zerbrechlich aussah, stand ihnen eine gewaltige Überraschung bevor. Colby konnte Berge versetzen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Er kannte keinen anderen Menschen, der so entschlossen und so willensstark sein konnte. Wer sonst hätte einen todkranken Mann pflegen und gleichzeitig eine riesige Ranch nur mit der Hilfe eines alten Cowboys und zweier Halbwüchsiger leiten können?
    Colby ging direkt auf die beiden Männer zu, die Schultern gestrafft, die schlanke Gestalt so aufrecht wie nur irgend möglich. »Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?« Ihre Stimme war höflich und distanziert. Sie zeigte auf die Stühle auf der Veranda, statt ihre Besucher ins Haus zu bitten. »Ich habe die Papiere, die Sie mir geschickt
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