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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Autoren: Gerhard Seyfried
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haben ja kaum Beobachter in den Hafenstädten, wahrscheinlich nicht mal ein Dutzend, und alles Zivilisten, höchstens mal ein pensionierter Handelsmariner. Wollen nicht riskieren, daß die Brüder uns einen Streich spielen à la Nelson in Kopenhagen. Kurz und gut: Ich will, daß Sie mal einen Blick in die Kanalhäfen werfen, Seiler. Portsmouth, Dover, Sheerness und dann rauf nach Harwich. Zwei, höchstens drei Tage pro Hafen, das muß genügen.«
    » Jawohl, Herr Kapitän.«
    » Achten Sie auf Sonderzüge mit ankommenden Reservisten, verstärkten Bootsverkehr an den Liegeplätzen, Anlieferungen von Vorräten wie Kohle, Öl, Lebensmittel, Munition. Alles, was aus dem Rahmen fällt. Als Seeoffizier sollten Sie die Anzeichen erkennen können. Und hören Sie hin, was die Leute so reden, am Hafen, in den Pubs und so weiter.«
    » Jawohl, Herr Kapitän.« Seiler fühlt sich plötzlich wach und munter. Das ist ja alles recht spannend, aber viel aufregender ist, daß er noch eine Weile in England bleiben wird und Vivian wiedersehen kann! Wahrscheinlich sogar bald, sie wollte ja am Elften wieder nach London kommen und bis Ende August bleiben, und er wird wohl kaum länger als zehn oder zwölf Tage unterwegs sein. Was für ein Glück! Ja, er will sie wiedersehen! Er muß sie wiedersehen! Mit der Verlängerung seines Aufenthaltes ist die grausame Sinnlosigkeit seiner Gefühle wie weggeblasen. Er muß an sich halten, um nicht zu lächeln.
    Widenmann scheint ihm seine Gefühle anzusehen. » Das ist mehr nach Ihrem Geschmack«, sagt er, » als hier herumzusitzen und Listen zu führen, was?« Die Standuhr läßt einen hellen Glockenschlag hören, und Widenmann hat es auf einmal eilig: » Gut! Übermorgen fahren Sie los, mit dem Frühzug am besten, und selbstverständlich in Zivil. Sollten Sie bereits in Portsmouth oder Dover etwas feststellen, kommen Sie zurück und melden sich bei mir. Kein Telephon!«
    Seiler glaubt sich entlassen, aber der Attaché ist noch nicht fertig. » Eins noch. Sie werden hier nicht zum Spionieren aufgefordert. Sie sollen lediglich Ausschau halten, ob Anzeichen für eine heimliche Mobilmachung der Navy erkennbar sind. Versuchen Sie also nicht, Leute auszufragen, schon gar kein Marinepersonal, und betreten Sie keine gesperrten Bereiche. Keinen Staub aufwirbeln, einfach nur Augen und Ohren offenhalten. Ist das klar?«
    » Jawohl, Herr Kapitän.«
    Widenmann räuspert sich und sagt: » Sie sind doch in England aufgewachsen, nicht wahr? Kann ich sicher sein, daß Sie wissen, auf welcher Seite Sie stehen? Ihre Loyalität zu Kaiser und Reich über alle Zweifel erhaben?«
    » Jawohl, Herr Kapitän!« erwidert Seiler und nimmt Haltung an, Hände an der Hosennaht. Er ist Deutscher, daran hat er nie gezweifelt. Deutscher mit einer englischen Mutter. Und einem Faible für England. Und für eine junge Engländerin mit einem deutschen Vater. Deutschland ist mein Vaterland, und England ist mein Mutterland. Daß sich Vater und Mutter streiten, ist ihm nichts Neues. Sie haben trotzdem immer fest zueinander gestanden.
    London, Secret Service Bureau, 10. Juli 1911, Montag
    » Verschwunden?« Captain Kell runzelt die Stirn. » Was heißt ›verschwunden‹?«
    » Nicht mehr im Hotel, Sir«, erwidert Drummond. Er hatte am Freitagabend herausgefunden, wo Seiler wohnt, nämlich im Arundel Hotel, Ecke Arundel Street am Victoria Embankment, direkt hinter der Temple Underground Station.
    » Ich habe heute morgen bis zehn Uhr fünfzehn gewartet, als er dann nicht aufgetaucht ist, bin ich hinein und habe mich nach ihm erkundigt. Man hat mir gesagt, Mr. Seiler habe das Hotel kurz nach sechs Uhr morgens verlassen und sei samt Gepäck in einem Cab davongefahren, wohin, wisse man nicht. Das Zimmer ist aufgegeben, im Gästebuch hat er eine Adresse in Southampton eingetragen, die habe ich mir gemerkt. Ich habe mich als Photograph ausgegeben, Sir, und gesagt, er habe mich für eine Fahrt nach Weybridge bestellt.«
    Captain Kell macht ein skeptisches Gesicht: » Als Photograph? Das hat man Ihnen abgenommen?«
    » Ich denke schon, Sir. Gerade als ich hineinwollte, kam ein junger Mann mit einer Kamera und einem Stativ daher. Das hat mich auf die Idee gebracht. Ich bat ihn, mit hineinzukommen und einfach neben dem Eingang zu warten. Das sah so aus, als wäre er mein Gehilfe. Ich habe ihm nachher einen Shilling gegeben.«
    » Nicht schlecht«, sagt Kell anerkennend, » aber Sixpence hätten auch gereicht. Na ja, den Shilling kriegen Sie
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