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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig
Autoren: Bettina Belitz
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gerade den abgelutschten Knochen in die Hand, lehnte sich schwer an meine Beine und rülpste vernehmlich.
    »Bravo!«, entfuhr es mir. Ich hatte Leander am frühen Abend aus Langeweile das Rülpsen beigebracht und das war der erste gewesen, der die Bezeichnung Rülpser auch verdient hatte. Trotzdem haute ich ihm gleichzeitig mein Knie in den Rücken. Ich war kein Sofa. Er zwickte mich in die Wade und ich konnte ein Quieken nicht verhindern.
    »Ich sag es ja, kosmische Energien«, kicherte Anni. »Das Kind spürt sie auch!«
    Ich zerrte Leander an den Haaren zur Seite, doch zwei Sekunden später hatte er es sich wieder zwischen meinen Schienbeinen bequem gemacht. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass er in meinem Zimmer blieb. Aber er hatte gesagt, dass er das auf keinen Fall verantworten könne, denn noch habe Mama ein paar Streichhölzer übrig und er lasse mich nicht zwischen brennenden Kerzen, trockenen Tannenzweigen und einer durchgedrehten Mutter alleine. Wahrscheinlich hatte er einfach keinen Bock gehabt, in meinem Zimmer zu sitzen, während wir Tiefkühlente mit Rotkraut futterten. Aber ich wusste, wie ich ihn ein bisschen foppen konnte …
    »Na, wer weiß«, sagte ich versonnen. »Es ist Weihnachten und vielleicht ist ja ein Engel im Raum … Au!«
    Leander hatte mir fest ins Bein gebissen. Ich drückte ihm mit Wucht die Sohle meiner Boots in den Oberschenkel.
    »Geht’s dir gut, Luzie?«, fragte Mama sorgenvoll und auch Papa musterte mich durchdringend. Ich nickte nur. Sprechen konnte ich nicht, da Leander versuchte, meinen Knöchel zu verdrehen.
    »Der Kleinen geht es wunderbar, seht ihr das nicht?«, verkündete Oma Anni strahlend. »Sie hat rosige Wangen und ihre Augen glänzen wie Smaragde – das Kind ist glücklich!«
    »Hmhm«, nickte ich und schaffte es mit einem fiesen Hieb in Leanders Hals, ihn endlich von mir wegzubewegen. Geschafft!
    »Alte Giftspritze«, knurrte er.
    »Wisst ihr, vielleicht hat Luzie sogar recht. Vielleicht ist wirklich ein Engel im Raum«, seufzte Mama eine halbe Sunde später schwärmerisch. Wir hatten gerade bei Weihnachtsmusik unsere Geschenke ausgepackt und mit Oma Anni eine unangenehme Diskussion über künstliche Lichter geführt, die nur mit drei gut gefüllten Tassen Punsch beigelegt werden konnte.
    »Natürlich sind hier Engel!«, juchzte Anni. »Prost, ihr Lieben! Möge Amerika in Schutt und Asche versinken!«
    »Ich dreh noch durch …«, stöhnte Leander. »Immer dieses Engelsgeschwätz.«
    Aber irgendwie sah auch er zufrieden aus. Zur Feier des Tages hatte er ausgiebig geduscht, sein Elchshirt angezogen und das Stirntuch in ein Piratentuch verwandelt, was sehr verwegen aussah. Sein Huskyauge leuchtete sogar im Halbdämmer unseres Wohnzimmers und das grüne Auge hatte die gleiche Farbe wie die Tannennadeln des Weihnachtsbaums. Er lehnte neben der Krippe an der Wand und hatte die Füße locker übereinandergeschlagen.
    »Ist doch gar nicht so schlecht, das Fest des Todes, oder?«, sprach ich meine Gedanken versehentlich laut aus.
    »Um Himmels willen, Luzie!« Mama bekam vor Schreck kaum mehr Luft. »Was redest du denn da?«
    »Fest der Liebe, Fest der Liebe meine ich natürlich!«, verbesserte ich mich hastig.
    »Ach, das Kind hat schon recht, Rosaleinchen. Tod und Leben, das eine geht nicht ohne das andere, und die Liebe erst recht nicht. Was wäre die Liebe ohne den Tod? Nichts!«, predigte Anni euphorisch und breitete die Arme aus. »Kommt her zu mir und umarmt eure alte Anni! Wir wollen unsere Energien bündeln!«
    »Wenn sie noch einmal Tod sagt, spring ich aus dem Fenster!«, kommentierte Leander trocken.
    »Na los, Luzie, du auch, umarmen!« Wenn Anni Gruppenumarmungen forderte, gab es kein Erbarmen. Also hielten wir uns ein Weilchen zu viert fest, Mama, Papa, Oma Anni und ich. Leander blieb allein an der Wand sitzen. Er lächelte mir kurz zu, als ich in Mamas Würgegriff Atemnot bekam, doch seine Augen sahen traurig aus.
    Dann zogen wir uns unsere Jacken und Mäntel an und liefen zur Kirche. Papa war katholisch, aber ich war gar nichts. Ein Heidenkind, wie Anni immer sagte. Mama war der Meinung gewesen, ich solle mir selbst aussuchen können, an was ich glaube und an was nicht.
    Doch an Weihnachten gingen wir gemeinsam in den Gottesdienst – schon alleine deshalb, weil Papas Kunden es von uns erwarteten. Und diesmal waren wir tatsächlich vollständig. Plus Körperwächter. Ich mochte die Weihnachtsgottesdienste. Alles war festlich geschmückt, der
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