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Verbannte der Ewigkeit

Verbannte der Ewigkeit

Titel: Verbannte der Ewigkeit
Autoren: Robert Silverberg
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neue Methode schon?«
    »Etwa fünf Jahre«, sagte Hahn. »Wir wissen selbst noch nicht genau, wann der Durchbruch gelang. Als wir dann die geheimen Aufzeichnungen der vorigen Regierung gesichtet hatten …«
    »Der vorigen Regierung?«
    Hahn nickte. »Die Revolution kam im Januar 2029. Es war keine gewaltsame – die Syndikalisten hatten sich einfach überlebt, und es genügte ein kleiner Stoß, sie hinwegzufegen. Die Revolutionsregierung stand schon bereit, die Gewalt zu übernehmen und die alte Verfassung wieder in Kraft zu setzen. Die Syndikalisten waren einfach von innen heraus verfault.«
    »War es nur die Fäulnis«, sagte Barrett, »oder waren da nicht Termiten am Werk? Bleib bitte bei deiner Terminologie.«
    Hahn bekam einen roten Kopf. »Jedenfalls stürzte die alte Regierung. Wir haben jetzt eine provisorische, liberale Regierung, und in sechs Monaten oder so gibt es freie Wahlen. Fragt mich nicht zu viel nach der Philosophie des neuen Regimes, ich bin kein Politologe, nicht einmal Ökonom. Das habt ihr sicherlich vermutet.«
    »Was bist du dann?«
    »Polizeibeamter einer Spezialeinheit, Mitglied einer Kommission, die das Strafsystem der alten Regierung durchforstet, einschließlich dieses Lagers.«
    Barrett sagte: »Was geschieht mit den politischen Gefangenen?«
    »Sie werden freigelassen; wir rollen ihren Fall kurz auf und lassen sie dann in der Regel frei.«
    Barrett nickte. »Und die Syndikalisten, was ist aus ihnen geworden? Es würde mich interessieren, ob du mir über einen gewissen Jack Bernstein, einen Verhörspezialisten, Auskunft geben könntest.«
    »Bernstein? Er war Mitglied des Syndikats-Rats, Chef der Verhörabteilung.«
    »War?«
    »Ja, er beging Selbstmord, wie viele seiner Kumpane, als das Regime stürzte. Bernstein war der erste von allen.«
    »Das paßt zu ihm«, sagte Barrett leise, innerlich seltsam gerührt.
    Die Männer schwiegen lange Sekunden.
    »Es gab da mal ein Mädchen«, sagte Barrett dann. »Man verhaftete sie im Jahre 1994, dann verschwand sie. Ich frage mich, ob sie … ob …«
    Hahn schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid«, sagte er leise. »Das war vor fünfunddreißig Jahren. Wir fanden keine Gefangenen mehr, die länger als sechs oder sieben Jahre gesessen haben. Der harte Kern der Opposition wurde ins Hawksbill-Lager geschickt, und die anderen – nun, ich fürchte, sie wird nie wieder auftauchen.«
    »Nein«, sagte Barrett. »Du hast recht. Sie ist sicher schon lange tot. Aber ich mußte einfach fragen, es hätte ja sein können …«
    Er sah zu Quesada und dann zu Hahn. Seine Gedanken überschlugen sich, und er konnte nicht sagen, wann er das letzte Mal von den Ereignissen so überwältigt gewesen war. Er mußte sich anstrengen, ein Zittern zu verbergen, aber seine Stimme klirrte etwas, als er sagte: »Du bist also gekommen, um im Hawksbill-Lager nachzusehen, was aus uns geworden ist? Und heute nacht warst du Oben und hast berichtet, was du gefunden hast. Du mußt uns alle für einen ziemlich traurigen Haufen halten.«
    »Ihr mußtet hier unter außergewöhnlichen Bedingungen leben«, sagte Hahn. »Bedenkt man die Umstände der Gefangenschaft, die Verbannung in diese ferne Epoche der Erde …«
    Quesada unterbrach ihn. »Wenn jetzt eine liberale Regierung an der Macht ist, und es möglich ist, in beide Richtungen zu reisen, dann nehme ich an, daß alle Gefangenen von hier fortkönnen, zurück in die Wirklichkeit?«
    »Natürlich«, sagte Hahn. »Das wird geschehen, sobald wir ein paar logistische Probleme gelöst haben. Deshalb bin ich ja auch hier: um zu sehen, ob ihr noch lebt – denn wir wußten nicht, ob überhaupt jemand die Zeitreise überstanden hatte –, und dann, in welchem Zustand ihr seid, welche Behandlung notwendig ist. Man wird euch nach neuesten therapeutischen Erkenntnissen behandeln und keine Kosten scheuen …«
    Barrett hörte kaum noch zu. Er hatte mit all dem gerechnet, seit Altmann ihm berichtet hatte, daß Hahn sich am Hammer zu schaffen gemacht hatte. Aber er hatte es sich selbst nie ganz eingestehen wollen, daß es wirklich so sein konnte.
    Er sah, wie sein Königreich zerbröckelte.
    Er sah sich selbst, zurück in einer Welt, die er nicht mehr begreifen würde – ein hinkender Rip van Winkle, der nach zwanzig Jahren zurückkehrte.
    Und er mußte den Ort verlassen, der seine Heimat geworden war.
    Erschöpft sagte er: »Einige der Männer werden den Schock der plötzlichen Freiheit nicht überstehen – es sind zu viele Fälle hier zu
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