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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung
Autoren: Nicolas Remin
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Deshalb hatte er immer diesen Rosenkranz in der rechten Hand.»
    Tron sah die Principessa fassungslos an. «Ist dir auch klar, was das bedeutet?»
    «Dass Pater Calderón nicht in der Lage war, eine Waffe  in der rechten Hand zu halten», sagte die Principessa.
    «Aber …?»
    «Beust hat Pater Calderón erschossen», sagte die Principessa. «Anschließend hat er sich mit einem zweiten Revolver einen harmlosen Streifschuss verpasst und diese Waffe dann Pater Calderón in die Hand gedrückt.»
    Tron lachte erbittert auf. «Und hat, als wir kamen, eine bewundernswerte schauspielerische Leistung hingelegt.
    Nachdem er zuvor den Umschlag mit der Photographie in  der Schublade deponiert hatte. Wozu er nicht länger als ein paar Sekunden gebraucht hat.»
    Die Principessa nickte. «Er hatte nur keine Ahnung, dass Pater Calderón seine rechte Hand nicht benutzen konnte.
    Der einzige Fehler in einer sonst perfekten Inszenierung.»
    «Also hat Beust den Erzherzog die ganze Zeit hintergan gen», sagte Tron. «Was bedeutet, dass Pater Calderón Recht hatte. Beust als Handlanger der Hofkamarilla – der Leute, die verhindern wollen, dass Maximilian in Mexiko Erfolg hat. Dass er überhaupt nach Mexiko geht. Aber der Erzherzog wusste doch, dass Beust jede Woche einen geheimen Bericht an den Adjutanten des Kaisers schreibt.»
    Die Principessa lächelte matt. «Vielleicht schreibt er ja zwei Berichte. Einen, den er abspricht, und einen anderen, in dem das steht, was der abgesprochene Bericht verschweigt.»
    «Denkbar wäre es jedenfalls.» So wie ein Priester, dachte Tron, der seine Morde in einer Soutane begeht, damit niemand auf den Gedanken kommt, der Mörder könnte ein Priester gewesen sein.

    «Was wirst du tun?», erkundigte sich die Principessa.
    «Gibt es außer dir noch jemanden, der bestätigen kann, dass Pater Calderón seine rechte Hand nicht benutzen konnte?»
    Die Principessa zuckte die Achseln. «Vielleicht gibt es jemanden in Rom. Vielleicht auch nicht. In diesem Fall gäbe es nur meine Aussage als Beweis für Calderóns Unschuld.»
    «Dann wären die einzigen handfesten Anhaltspunkte die  Photographie im Schlafzimmer und der Streifschuss an Beusts Arm. Und die sprechen gegen Calderón.» Tron dachte kurz nach. «Außerdem könnte man argumentieren, dass …»
    «Dass was?»
    «Dass in Extremsituationen fast alles möglich ist. Dass Lahme wieder gehen können und …»
    «Blinde wieder sehen?»
    Tron nickte «So ungefähr.»
    «Du meinst, er hat doch seine rechte Hand benutzt?»
    «Rein theoretisch wäre es denkbar.»
    «Glaubst du, was du da sagst, Tron?»
    Gute Frage, dachte Tron. Selbstverständlich glaubte er
    gar nichts mehr. Er sagte: «Dieser Fall hat sich von einem bestimmten Zeitpunkt an alle vierundzwanzig Stunden völlig anders dargestellt.»
    «Seitdem du erfahren hast, wer der angebliche Verlobte  Anna Slatapers in Wirklichkeit ist?»
    Tron stutzte. Etwas in dem Satz der Principessa hatte einen winzigen Augenblick lang eine diffuse Erinnerung ausgelöst.
    Er beugte sich über den Tisch. «Würdest du das, was du  eben gesagt hast, noch einmal wiederholen?»
    «Ich soll was! »
    «Den Satz wiederholen, den du eben gesagt hast.»

    «Ich sagte: Seitdem du erfahren hast, wer der angebliche Verlobte von Anna Slataper in Wirklichkeit ist. »
    « I Promessi Sposi – ‹Die Verlobten›! Das ist es.» Tron schlug sich gegen die Stirn.
    Die Principessa sah Tron irritiert an. «Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Was hat der Roman von Manzoni mit dieser Angelegenheit zu tun?»
    «Vielleicht enthält er das, was der Mörder in der Wohnung von Anna Slataper gesucht hat.» Tron sprang auf. «Ich muss gehen.»
    «Wo willst du hin?»
    «Zum Rio della Verona. In Anna Slatapers Exemplar der  Promessi Sposi blättern.»
    Die Principessa warf Tron einen übellaunigen Blick zu.
    «Ich hasse diese Geheimniskrämerei, Tron.»
    Tron lächelte. «Dann komm mit. Ich erkläre dir alles auf dem Weg.»
    «Darf ich noch meinen Kaffee austrinken?»
    Tron schüttelte den Kopf. «Kaffee trinken wir auf der  questura. »
    «Du willst anschließend auf die questura? »
    «Bossi ist noch da und schreibt den Bericht für Spaur.
    Den wird er jetzt ändern müssen.»

48

    Eine Viertelstunde zuvor hatte Angelina Zolli den Markusplatz durch die Ala Napoleonica verlassen. In den letzten beiden Stunden war der Nebel auf der Piazza und am Molo  so dicht geworden, dass die Gaslaternen an den Hausfassaden wie nächtliche
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