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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
Autoren: Giampaolo Simi
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wie andere Leute Galoschen, wenn sie im Schlamm waten. Er macht seine Arbeit, und du hörst ihm zu, bis es dir irgendwann zu viel wird.
    »Das reicht! Ich lasse nicht zu, dass Sie meine Frau wie ein Flittchen darstellen.«
    Du kannst gar nicht erwarten, dass das ganze Theater bald ein Ende hat. Seit drei Tagen füllt ihr die Klatschspalten der Regionalpresse. Hättest du dich für unschuldig erklärt oder drei Männer mit slawischem Akzent ins Spiel gebracht, hättet ihr womöglich den Sprung auf die große nationale Bühne geschafft. Die Zutaten seien vorhanden, davon ist dein Anwalt überzeugt. Deine finstere Art, deine obsessive Liebe zu deinem Spider 1300 »coda tronca«. Der Zorn von Mariano Domini, dem Bruder, dem jungen Arzt mit der verheißungsvollen Zukunft, dem wohltätigen Christen. Die schöne Elisa. Aber das hast du deinem Anwalt ordentlich vermasselt. Mit deiner ergebenen, geistesabwesenden Art. Und mit deinem Schuldbewusstsein, das sich nicht einmal als Reue ausschlachten lässt.
    Fast scheint es, als wärst du, Furio Guerri, alleiniger Vertreter von Aggradi Grafik & Druck, immer schon so einer gewesen, der in Blumenbeete kackt und das Unschuldslamm spielt, bis man ihn in der Kirche dabei erwischt, wie er sich in der ersten Bank Pornoblätter anschaut, ein Verrückter, der zu allem fähig ist.
    Plötzlich haben es alle furchtbar eilig, sich für dich zu schämen und dich so bald wie möglich zu vergessen.
    Dass du während der Verhandlungen oft so zerstreut wirkst, werden die Richter bestimmt nicht zu deinen Gunsten auslegen, wiederholt dein Anwalt unermüdlich. Eine aufrichtige – vielleicht gar verzweifelte – Erklärung deiner tiefen Reue könne die Richter möglicherweise milde stimmen und sich positiv auf das Strafmaß auswirken. Die Zeitungen könnten anrührende Passagen daraus zitieren, und das Medieninteresse an der ganzen Angelegenheit würde wieder aufleben, letztlich zu deinem Vorteil. Es sei bekannt, dass nach dem ersten Schock die Empathie mit dem Opfer abnehme und der Prozess der Seligsprechung eine ganz natürliche Verlangsamung erfahre. Könne man glaubhaft machen, dass Elisa die Sache auch ein wenig provoziert habe, bekäme unsere Vorstellung von der Harmonie der Welt wieder einen Funken Glaubwürdigkeit. Du müsstest diese Erklärung allerdings abgeben, bevor die Richter sich zur Beratung zurückziehen. Zwei Tage vorher sei perfekt, damit die Presse noch darauf reagieren könne.
    »Ja, vielleicht versuche ich es«, sagst du.
    »Wenn Sie möchten, bereite ich gern ein paar Zeilen vor«, sagt er.
    »Nicht nötig. Ich hab ja Zeit.«
    »Das ist eine komplizierte Geschichte. Überfordern Sie sich nicht, Guerri.«
    Viel mehr Sorgen macht dir die andere Angelegenheit, in der du ihn höflich um Hilfe gebeten hast.
    »Haben Sie mit Ihrem Bekannten gesprochen, wegen der Garage?«
    Plötzlich scheint dein Anwalt erbost.
    »Ja, Guerri. Sie haben den Stellplatz für Ihr Auto.«
    »Haben Sie ihm gesagt, dass ich die Miete zahle, sobald ich meine Abfindung bekomme?«
    »Das Problem ist ein anderes. In eineinhalb Jahren will mein Bekannter das Haus umbauen.«
    »Und wo genau ist da das Problem?«, fragst du.
    Er schließt seine Mappe und sieht dich an, und zum ersten Mal weiß er nicht, was er sagen soll. Oder wie.

39
    S chwere Körperverletzung mit Todesfolge. Da du aber nicht vorbestraft warst und das verkürzte Verfahren angewandt wurde, haben sie dich lediglich zu vierzehn Jahren und sechs Monaten verurteilt, einschließlich Verbots der Bekleidung öffentlicher Ämter und Verlusts der elterlichen Sorge.
    Nach der Urteilsverkündung lächelte dein Anwalt dir zu. Im Zuschauerraum erhob sich in den Reihen, wo die Familie Domini Platz genommen hatte, undeutliches Gemurmel und leiser Protest. Auf dem Gesicht deines Schwiegervaters konntest du die Vorboten der Gesichtslähmung erkennen, die ihn vermutlich irgendwann ereilen würde. Du sahst, wie sich das mit Bürostühlen vollgestellte Podest in ein Chaos von Ärmeln, Händen, Taschen, Jackenschößen, Fäusten verwandelte. Als wäre sein Kopf das Haupt dieses abnormen, unförmigen Wesens, tauchte aus dem Wirrwarr das erhitzte Gesicht deines Schwagers Mariano auf, die Krawatte über dem Ohr hängend, der Mund hart und schmal wie ein Briefkastenschlitz. In Zorn ausgespuckte Worte. Von dröhnendem Lärm erstickt. Sinngemäß lauteten sie:
    »Warum habt ihr ihm nicht lebenslänglich gegeben? Jetzt muss ich ihn umbringen! Ich hab’s euch doch gesagt:
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