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Vampirherz

Vampirherz

Titel: Vampirherz
Autoren: Karin Kaiser
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schlucken. Dann sprang sie hektisch auf.
    „Ich – ich muss jetzt gehen. Ich muss das erst verdauen.“
    „Ist schon in Ordnung.“
    Wie vor den Kopf geschlagen trottete Dana aus dem Krankenhaus. Als sie hinaustrat, traf sie die Novemberkälte mit voller Wucht. Es schien zwar eine bleiche Herbstsonne, aber sie hatte nicht die Kraft zu wärmen und den Nebel, der um die Bäume der Allee waberte, zu vertreiben. Tränen wollten Dana in die Augen treten, als sie an die Prognose der Ärztin dachte. Drei oder
    vier Monate, das war nicht viel Zeit, eine Möglichkeit zu finden, ihren Vater ohne die Hilfe ihrer Mutter von diesem elenden Pflock zu befreien. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie die Zeit vergaß. Irgendwann blickte sie zufällig auf und stellte erstaunt fest, dass sie schon fast zu Hause war. Sollte sie bei Vivi vorbeischauen? Nein, ging ja gar nicht. Vivi hatte ein Rendezvous mit ihrem blonden Bassisten, und Anita und Robert, Vivis Eltern, arbeiteten noch. Als sie die Wohnungstür öffnete, kam ihr eine bullige Wärme entgegen. Verdammt, sie hatte vergessen, die Heizung herunter zu schalten. Nachdem sie sämtliche Heizkörper umgestellt hatte, beschloss sie, sich ein wenig hinzulegen. Hunger hatte sie sowieso keinen und es würde bestimmt gut tun, einfach ein wenig abzuschalten.
    Mutlos ließ sie sich auf ihr frisch gemachtes Bett sinken und starrte auf die hohe, mit Stuck verzierte Decke. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter einfach so starb. Sie musste etwas tun. Aber was? Sie richtete sich auf und nahm das Foto ihres Vaters in die Hand, das noch auf dem Nachttisch lag.
    „Oh, Papa, wenn du mir doch nur sagen könntest, wie ich zu dir komme. Ich muss doch wenigstens versuchen, diesen schrecklichen Pflock heraus zu ziehen. Mama braucht dich so sehr. Und ich auch.“
    Sie legte das Bild wieder auf ihren Nachttisch und spürte schon die Tränen in ihre Augen schießen. Sie liefen so lange unermüdlich ihre Wangen hinunter, bis ihre Augenlider sich vor Müdigkeit flatternd schlossen

    Leise knarzend öffnete sich die Tür. Erschrocken fuhr Dana hoch. Im Türrahmen stand ein Mann. Er war mittelgroß und schlank, sein Gesicht war blass wie der Mond draußen, aber seine Augen leuchteten in einem warmen Honigton. Dunkles Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Es war Danas Vater. Er kam zum Bett und setzte sich auf die Bettkante, ohne einen einzigen Ton zu sagen. Er lächelte nur, und Dana fühlte den Hauch einer Berührung auf ihrer Wange. Träumte sie?
    „Papa, bist du wirklich hier?“ fragte sie erstaunt.
    Er lächelte. „Meine Gedanken sind hier und mein Traumbild. Komm, Dana, ich will dir etwas zeigen.“
    Verwirrt schloss sie die Augen, und als sie sie wieder öffnete, war er verschwunden. Dana sprang aus dem Bett und lief durch die Wohnung, aber sie fand ihren Vater nicht. Stattdessen sah sie ein seltsames Leuchten, das aus seinem Arbeitszimmer drang. Ängstlich, aber auch neugierig trat sie ein. Vor dem Sekretär saß jemand im Bürostuhl. Ihr Vater.
    „Was tust du hier?“ fragte Dana heiser.
    „Ich habe deine Verzweiflung gefühlt, Dana.“
    Dana konnte nur nicken.
    „Ich brauche deine Hilfe, Papa. Sonst stirbt Mama.“
    „Dana, damit ich das tun kann, musst du in die Schattenwelt kommen. Nur du kannst diesen Pflock entfernen, denn du warst der Mensch, an den ich zuletzt gedacht habe.“
    „Ich?“
    Er seufzte.
    „Ich wollte es nicht, aber es ist nun einmal passiert. Komm Dana, hilf mir. Ich vermisse dich und deine Mutter.“
    „Aber wie, Papa?“
    „Zieh die erste Schublade aus dem Sekretär heraus. Dahinter ist ein Geheimfach. Dort ist der Schlüssel in die Schattenwelt.“
    Er sagte noch etwas, aber Dana konnte es nicht hören. Und dann verschwand er plötzlich.
    „Warte!“ rief sie ihm verzweifelt zu und sprang auf, um ihn zu suchen.
    Auf einmal hörte Dana einen lauten Knall und fand sich auf dem Teppich neben ihrem Bett wieder. Sie musste eingeschlafen und während dieses abgefahrenen Traums vom Bett gefallen sein. Sie stand auf und rieb sich den schmerzenden Rücken. Was sollte dieser seltsame Traum von ihrem Vater nur bedeuten? Auf einmal fiel ihr sein Hinweis auf den Sekretär in seinem Arbeitszimmer ein. Sie musste unbedingt herausfinden, ob es dort wirklich ein Geheimfach gab. Dana holte tief Luft und ging über das knarzende helle Parkett ans Ende des Flures. Vor der Tür zögerte sie kurz; Mama und sie hatten dieses Zimmer nur noch selten betreten, weil dort einfach alles an
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