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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten
Autoren: Waldtraut Lewin
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auf unverzügliche Erfüllung hoffen dürften.
    Ich siegele mit meinem Achtstern, meinem »Hoheitszeichen«.
    Auf einen zweiten Streifen des feinen Pergaments schreibe ich folgende Verse:
     
    »Die Schöne kam zu mir in einem Kleid aus Licht
    Und bot mir kühles Nass in beiden Händen.
    Zerrissen ist das Kleid, doch niemals enden
    Wird das Gedenken an die schöne Gabe.
    Nur einzig dies Gedenken hat Gewicht.
    Gedenken ist nun alles, was ich habe.
    Dies Licht verdunkelt und verzehrt sich nicht.
    Doch niemand kann den Lauf der Sterne wenden.«
     
    Erst wollte ich in die Judería gehen und das Kästchen dem alten Mann oder seiner ganzen Familie selbst bringen, aber dann kam mir die Geste gönnerhaft und aufgesetzt vor; KasmunasTun und Treiben bei mir entsprach wohl nicht so ganz dem, was eine sittsame jüdische Tochter tun soll, aber ich weiß, dass ihr Vater aus Liebe zu ihr und aus Respekt vor meinem Haus keine Einwände erhob.
    Nun aber sollte ich ihnen lieber fernbleiben, so denke ich.
    Ich schicke einen Boten in das Trauerhaus und erhalte höflichen Dank. Mehr soll nicht sein.

40
    DIE FÜHRER DER GEMEINDE HABEN ISMAEL IBN JESCHULLA ZU EINEM GESPRÄCH GEBETEN.
    Sie sitzen in der Synagoge: der Nasi, der Vorsteher der Juden Cordobas, der Chasan, der Vorbeter, und der greise Rabbi Jakob Ibn Esra, hoch geachtet ob seines durchdringenden Verstands und seiner Weisheit. Dazu noch drei andere angesehene Männer, ein Arzt, zwei Kaufleute.
    Ismael Ibn Jeschulla ist noch in Trauer. Der Saum seines Gewands ist zerrissen, und die Asche seines häuslichen Herds ist über sein Haupthaar verstreut.
    Die Männer erheben sich bei seinem Eintritt, um ihn zu ehren, und der Nasi murmelt: »Der Ewige hat gegeben. Der Ewige hat genommen. Der Name sei gepriesen in alle Ewigkeit.«
    »Amen«, erwidert Ibn Jeschulla. Seine Stimme ist klar und fest. »Ihr habt mich zu euch bestellt, Brüder, aus einem Trauerhaus. Was gibt es Dringendes, das nicht Zeit bis später hätte?«
    Der Augenblick des verlegenen Schweigens wird durch den Chasan, gleichsam als den ernannten Sprecher, unterbrochen. Seine schöne Stimme füllt den Raum. »Verehrter Herr und Bruder, uns, den Männern in den höchsten Ämtern, ist zu Ohren gekommen, dass Ihr ein Geschenk der Prinzessin Valada erhalten habt.«
    »So? Ist euch das zu Ohren gekommen?«, fragt Ibn Jeschulla zurück.
    Der Chasan räuspert sich. »Ja, so ist es.« Er holt Luft. »Ihr habt jene Perlen erhalten, die . . .«
    »Jene Perlen, ja«, bestätigt der alte Mann und sieht von einem zum anderen. »Was wollt ihr von mir, liebe Brüder?«
    Rabbi Jakob Ibn Esra nimmt jetzt das Wort. »Die Perlen, die Eure Tochter Kasmuna   – ihr Angedenken sei gesegnet!   – von der Prinzessin einst geschenkt bekam als Zeichen ihrer . . . Zuneigung . . . und ihrer Fertigkeit in der Dichtkunst.« Er stockt. Rabbi Ibn Esra ist sonst nicht der Mann, der um Worte verlegen ist. Außer hier und heute.
    Jeschulla sieht ihn ruhig an, mit wissendem Blick, und wartet auf die Fortsetzung, die nicht kommt.
    Stattdessen sagt der Nasi: »Ismael, wir haben uns überlegt, ob es nicht angebracht wäre, wenn Ihr diesen Schmuck«, er schluckt, »der Gemeinde stiften würdet, damit er für wohltätige Zwecke verkauft werden kann. Es sind schließlich Perlen von abschätzbar großem Wert. Und Ihr hättet damit Euer Haus . . . gleichsam gereinigt.«
    Stille.
    Ismael Ibn Jeschulla sieht sie alle der Reihe nach an, und ein jeder senkt schließlich die Lider.
    »Verehrte Herren und Brüder«, beginnt er leise, »ich verstehe eure Absicht. Ihr wisst, ich bin reich. Und gern bin ich bereit, für die Armen unserer Gemeinde eine nicht unbeträchtliche Summe Geld zu stiften. Aber das wird nichts mit diesen Perlen zu tun haben und keine Entsprechung sein für das, was ihr einen abschätzbaren Wert nennt. Denn für mich und mein Haus sind sie von unschätzbarem Wert.
    Mein Haus bedarf keiner Reinigung, ihr Herren. Denn diese Perlen waren nicht, wie ihr wohl anzunehmen scheint, Lohn für Dienste, welcher Art auch immer, sondern eine Gabe der reinen Liebe.
    Und Liebe ist dem Ewigen wohlgefällig.
    Gestattet, dass ich euch verlasse. Ich bin noch in Trauer.
    Der Herr erleuchte eure Sinne.«
    Sie sehen ihm hinterher, wie er den Raum verlässt. Keiner sagt ein Wort.
    VALADA.
    Morgen werde ich mit Ibn Abdus, dessen Vornamen ich bisher noch nicht kenne (und vielleicht auch gar nicht kennen lernen will), gemeinsam durch Cordoba reiten. Wir werden uns zeigen.
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