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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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einem Sprunge hatte er die Terrasse verlassen. Kirsanoff verfolgte ihn mit den Augen und sank in höchster Unruhe in seinen Stuhl zurück. Sein Herz klopfte heftig. Kamen ihm die fremden Beziehungen, die notwendig zwischen seinem Sohne und ihm eintreten mußten, zum Bewußtsein; dachte er darüber nach, ob es von Arkad nicht rücksichtsvoller gewesen wäre, wenn er jede Anspielung auf das Verhältnis vermieden hätte, oder machte er sich Vorwürfe über seine Schwäche? Dies war schwer zu unterscheiden. Alle diese Gefühle wogten in seiner Brust durcheinander. Die Röte, die seine Stirne überzogen hatte, blieb beharrlich, und sein Herz klopfte nach wie vor heftig.
    Da ließen sich beschleunigte Schritte hören, und Arkad erschien wieder auf der Terrasse.
    »Wir haben jetzt Bekanntschaft gemacht, lieber Vater,« rief er triumphierend und zärtlich zugleich. »Fedosia Nikolajewna ist wirklich unwohl und wird erst später kommen. Aber warum hast du mir nicht gesagt, daß ich ein Brüderchen habe? Ich hätte es schon gestern mit eben der Freude geküßt, mit der es soeben geschah.«
    Nikolaus Petrowitsch wollte antworten; er wollte sich erheben und die Arme ausbreiten. Arkad warf sich ihm an den Hals.
    »Wie? man küßt sich noch einmal?« rief Paul hinter ihnen.
    Sein Erscheinen war Vater und Sohn gleich willkommen; es ist uns oft nicht leid, wenn den rührendsten Situationen ein Ziel gesetzt wird.
    »Wundert dich das?« erwiderte Kirsanoff heiter. »Da kommt endlich Arkascha nach langer Zeit wieder heim; ich habe seit gestern noch nicht einmal Zeit gehabt, mir ihn recht anzusehen.«
    »Mich wundert das keineswegs,« erwiderte Paul, »es geht mir ja selbst fast wie dir.«
    Arkad trat auf seinen Oheim zu, der ihm abermals die Wangen mit seinem parfümierten Schnurrbart streifte.
    Paul setzte sich an den Tisch. Er trug ein elegantes Morgenkostüm nach englischem Geschmack; ein kleiner Fes zierte seinen Kopf. Dieser Kopfputz und eine nachlässig geknüpfte Krawatte waren wie eine Andeutung der Freiheit, zu welcher das Landleben berechtigt; aber der gestärkte Hemdkragen, diesmal farbig, wie es die Mode für eine Morgentoilette vorschreibt, umschloß mit der gewöhnlichen Unbiegsamkeit sein wohlrasiertes Kinn.
    »Wo ist denn dein neuer Freund?« fragte er Arkad.
    »Er ist schon ausgegangen; er steht gewöhnlich sehr früh auf und macht irgendeinen Ausflug. Man darf sich aber nicht um ihn bekümmern, er haßt die Förmlichkeiten.«
    »Ja, das sieht man wohl.«
    Paul strich langsam Butter auf sein Brot.
    »Denkt er längere Zeit hierzubleiben?«
    »Das weiß ich nicht; er will auch seinen Vater besuchen.«
    »Wo wohnt sein Vater?«
    »In unserem Gouvernement, etwa 80 Werst von hier. Er hat dort ein kleines Besitztum. Er ist ein alter Militärchirurg.«
    »Ti .. ti .. ti … Den Namen kenne ich ja, glaube ich. Nikolaus, erinnerst du dich nicht eines Doktors Bazaroff, der in der Division unseres Vaters diente?«
    »Ja, ich glaube mich seiner zu erinnern.«
    »Ganz gewiß. Also der Doktor ist sein Vater, he!« sagte Paul und bewegte den Schnurrbart. »Und was ist denn eigentlich Herr Bazaroff Sohn?« setzte er langsam hinzu.
    »Was er ist?« Arkad lachte. »Soll ich Ihnen, lieber Onkel sagen, was er eigentlich ist?«
    »Tu mir diesen Gefallen, mein teurer Neffe.«
    »Er ist ein Nihilist.«
    »Wie?« fragte der Vater. Paul aber erhob sein Messer, dessen Spitze ein Stückchen Butter trug, und blieb unbeweglich.
    »Ja, er ist ein Nihilist,« wiederholte Arkad.
    »Ein Nihilist!« sagte Kirsanoff. »Das Wort muß aus dem Lateinischen
nihil:
nichts, kommen, soweit ich es beurteilen kann, und bedeutet mithin einen Menschen, der … nichts anerkennen will.«
    »Oder vielmehr, der nichts respektiert,« sagte Paul, der wieder sein Butterbrot zu streichen fortfuhr.
    »Ein Mensch, der alle Dinge vom Gesichtspunkte der Kritik aus ansieht,« erwiderte Arkad.
    »Kommt das nicht auf dasselbe heraus?« fragte der Onkel.
    »Nein, durchaus nicht; ein Nihilist ist ein Mensch, der sich vor keiner Autorität beugt, der ohne vorgängige Prüfung kein Prinzip annimmt, und wenn es auch noch so sehr im Ansehen steht.«
    »Und damit bist auch du einverstanden? Das ist recht und gut?« erwiderte Paul.
    »Je nachdem, lieber Onkel. Es gibt Leute, die sich dabei wohl befinden, wie im Gegenteil andere, die sich ganz schlecht dareinzufinden wissen.«
    »Wahrhaftig? Nun, ich sehe, das geht über meinen Gedankenkreis. Leute der alten Zeit wie ich, denken, daß
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