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Urmel aus dem Eis

Urmel aus dem Eis

Titel: Urmel aus dem Eis
Autoren: Max Kruse
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begann es zu jammern und zu plärren, zu jaulen und zu schluchzen: „Äh-hähä... uhuhu — jaujaujau — uhu — äh-hähä...“ Es war herzzerbrechend, steinerweichend.

    Wutz fühlte, wie ihr eine Gänsehaut über den Rücken kroch. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Ihr Herz klopfte. Sie machte kehrt, trabte zu dem gräßlichen Schreihals zurück und stupste ihn mit der Schnauze. Sofort verstummte das Jammern. Das Urmel grunzte zufrieden. Und Tim Tintenklecks hätte schwören mögen, daß es ihn anschielte und belustigt ein Auge zukniff.
    Jedenfalls — Wutz schickte sich in ihr Los. Die Urmel-Babystube wurde bei den Bambusbüschen eingerichtet, die Schlummertonne den Abhang des Berges Homi teils hinuntergerollt, teils geschleift. Wutz gab dem gefräßigen Untier die Kokosmilchflasche. Später fütterte sie es mit Bananen, Feigen und Ananas.
    Und einige Wochen später lag das Urmel in einer zwischen zwei Palmen befestigten Hängematte, die von Wutz — mit einer Schnur im Maul — hin und her gewiegt wurde.

    Bald war Wutz ganz zufrieden mit ihrem Schicksal. Ständig war eines der Tiere bei ihnen, um das Urmel zu necken oder um mit Wutz zu plaudern. Der Professor hielt sich kaum noch in seinem Blockhaus auf, das ganze Leben drehte sich um die Urmel-Babystube.
    Nur an seinem Buch schrieb der Professor wie bisher oben in seinem Arbeitszimmer. Und hier fand er eines Tages auch den angefangenen Brief an Direktor Doktor Zwengelmann. Das Blatt war zwar etwas zerknittert und verunstaltet durch die Abdrücke von Wawas dreckigen Zehen. Professor Tibatong aber strich es sorgfältig glatt und setzte folgende Nachschrift darunter: „PS: Ätsch! Sie sind widerlegt! Wir haben ein Urmel, ein lebendiges! Was sagen Sie nun? Sein Ei kam in einem Eisblock zu uns auf die Insel Titiwu, durch Jahrmillionen tiefgekühlt und bestens erhalten. Wir brüteten es aus! Es ist gesund und munter. Mein Hausschwein zieht es auf. Haha!
    Mit kollegialen Grüßen
    Professor Habakuk Tibatong.“

    Er lächelte schadenfroh, als er das Blatt säuberlich zusammenfaltete und auf die Außenseite die Adresse schrieb: „An Herrn Direktor Doktor Zwengelmann, Naturkundemuseum Pumpolon (Pumpolonien)“.
    Dann rollte er es so zusammen, daß er es durch den engen Hals einer leeren Himbeersaftflasche stecken konnte. Innen dehnte es sich wieder aus und schmiegte sich an den Glasrand. Die Anschrift war auf diese Weise deutlich zu lesen.
    Professor Tibatong trieb mit der Faust einen Korken in die Flasche, knotete einen kurzen Strick um ihren Hals und schlenderte pfeifend zum Strand hinab.
    Er suchte Schusch und fand ihn auf dem Ast über Urmels Wiegematte; eifrig kitzelte er das Kleine mit seinem Schnabel.
    „Schusch“, bat er, „flieg bitte mit dieser Flasche hinaus aufs Meer. Du kannst sie bequem an dieser Schnur tragen. Laß sie möglichst weit draußen ins Wasser fallen! Nach meiner Berechnung müßten die Meeresströmungen sie in etwa drei Monaten nach Pumpolonien treiben.“
    „Muß es gleich sein?“ fragte Schusch. „Wär spälen gerade so schön!“
    „Es eilt!“ sagte Professor Tibatong.
    Schusch flog mit der Flaschenpost davon, um sie dem Nordäquatorialstrom anzuvertrauen.

    „Hast du auch keine Dummheit gemacht, Professor?“ grunzte Wutz.
    Wie recht sie mit ihrer Befürchtung hatte, stellten sie alle leider viel zu spät fest.



Siebentes Kapitel:
In dem wir einige neue Personen kennenlernen

    Pumpolonien war ein kleines Land, dessen Hauptstadt wie gesagt Pumpolon hieß. Da sich die Flaschenpost nur gemächlich seiner Küste näherte, haben wir Gelegenheit, es ein wenig zu betrachten.
    In der Hauptstadt Pumpolon gab es ein Naturkundemuseum, von dessen Direktor wir bereits gehört haben. Es gab außerdem einen Tiergarten und eine Universität, an dem ein berühmter Zoologe lehrte. Und vor allem gab es einen König, der kein richtiger König mehr war. Er hieß nur noch so. Genau gesagt: Er hieß Pumponell der Fünfundfünfzigste. Aber das Parlament regierte nun ohne ihn, denn Pumpolonien war vor kurzem eine Demokratie geworden, und das ist wohl die dümmste Staatsform, die es für einen König gibt.
    Der Thron war also futsch. Aus diesem Grunde gab sich der König selbst den Spitznamen König Futsch der Erste von Pumpolonien. So etwas nennt man Galgenhumor.
    Und was macht ein König, der nicht regieren darf? Er langweilt sich! König Pumponell trat zwar dem Verband abgesetzter Könige bei — aber außer einer monatlich erscheinenden
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