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Urmel aus dem Eis

Urmel aus dem Eis

Titel: Urmel aus dem Eis
Autoren: Max Kruse
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Trockenen. Er gleißte und funkelte in der Sonne und war nun mindestens dreimal so groß wie zuvor im Wasser.
    Professor Tibatong erblickte unter der dünn gewordenen Oberfläche etwas weiß-grau Gesprenkeltes, etwas Rundes. „Oh!“ stotterte er. „Oh! Dies ist... das sieht aus... oh, ich glaube, ich stehe vor einer großen Entdeckung!“
    „Du siehst schauderhaft aus, Professor, das ist meine Entdeckung“, seufzte Wutz. Und damit hatte sie recht. Der Morgenrock triefte und klebte an seinem Körper, die Pantoffeln waren davongeschwommen, die nackten Füße, die Nase, die Ohren, die Haare — alles war voller Sand und klitschnaß.
    Seele-Fant ruhte sich am Ufer aus. Sein Haupt hatte er auf die Vorderflossen gestützt und schaukelte es hin und her. Da aber niemand auf ihn achtete, schwamm er schließlich zu seinem Felsenriff zurück. „Nöcht eunmal dankö sagt man!“ brummte er. „Non, öch habö ös ja auch nöcht örwartöt, abör traurög öst ös doch!“
    Bald hörte man sein Lied wieder über die Wellen schallen. Da erst dachte der Professor an ihn. „Oh, wir hätten ihm sagen sollen, wie großartig er uns geholfen hat!“ rief er bekümmert. „Nun, ich werde es nachholen! Jetzt haben wir keine Zeit zu verlieren. Schusch und Ping Pinguin, wäret ihr wohl so nett, das Eis ganz vorsichtig von dem Gegenstand abzuschlagen, der sich darin befindet? Aber bitte nur in winzigen Stücken, so als ob es chinesisches Porzellan wäre, versteht ihr? Und Wawa, bitte lauf doch rasch in mein Arbeitszimmer! Auf dem Schreibtisch am Fenster muß das Hörrohr liegen. Ich erinnere mich genau, es dort abgelegt zu haben, als Wutz ihren Husten hatte. Bitte bring es mir!“
    „Professor!“ grunzte Wutz entsetzt. „Du erlaubst doch nicht etwa Wawa — öff! —, mit diesen dreckigen Pfoten auf deinen Schreibtisch zu klettern — öff! — und in deinen Papieren herumzuwühlen?“
    Der Professor aber war viel zu erregt, um auf sie zu hören. „Ach bitte, Wutz! Hol mir alle Decken und Handtücher, die du finden kannst. Tim, hilf ihr bitte tragen!“ rief er.
    Während Wutz, Tim und Wawa unterwegs waren, um des Professors Wünsche zu erfüllen, pickten Ping Pinguin und Schusch das Eis vorsichtig und Körnchen für Körnchen von dem Gegenstand, der in ihm verborgen war. Mehr und mehr wurden seine Formen erkennbar. Und je mehr von ihm zu sehen war, um so erregter wurde Professor Habakuk Tibatong. „Halt, halt, Achtung! Nicht so heftig!“ bat er — und schließlich mußten Schusch und Ping Pinguin ihre Arbeit einstellen.
    „Wunderbar!“ sagte der Professor. „Ein Ei!“ Aufmerksam untersuchte er die Schale. „Es scheint vollkommen unbeschädigt zu sein. Welch ein Glück — Wawa, hast du mein Hörrohr gefunden?“
    Wawa trug es im Maul. „Es lag aber nicht auf dem Tisch, sondern im Papierkorb!“ bemerkte er.



Fünftes Kapitel:
Wie die Geduld der Inselbewohner auf eine harte Probe gestellt, aber schließlich doch belohnt wird

    Der Professor hörte das Ei von oben, von unten, von allen Seiten ab. Da die Tiere neugierig um ihn herumhüpften, bat er sie mehrmals, sich still zu verhalten. Aber nun störten ihn die Brandung und Seele-Fants Gesang aus der Ferne. „Ich höre nichts!“ murmelte er enttäuscht. „Nun, es ist wohl noch durch und durch gefroren... Wutz, hast du die Tücher? Bitte, Tim, hilf mir das Ei trockenreiben, jedes Eisbröckchen muß herunter, jeder Wassertropfen! Aber vorsichtig!“
    „Meinst du vielleicht, die Sonne wird es ausbrüten?“ erkundigte sich Wawa.
    „O nein!“ antwortete der Professor. „Es braucht tierische Wärme, wie von seiner Mutter. Ihr müßt abwechselnd brüten. Wawa, du machst am besten gleich den Anfang. Ich hebe dich hinauf, aber beweg dich bitte nicht und behandle es so, als ob es dein eigenes Ei wäre!“ Der Professor und Tim hoben Wawa empor und setzten ihn behutsam auf das Ei. Kaum berührte er es mit seinem weichen Unterleib, stieß er einen zischenden Wehlaut aus: „Tsch... Hilfe! Dies ist ein Eisei! Keine tschehn Minuten halte ich das aus, ohne mir den Bauch tschu erkälten!“
    „Wie dumm, daß ich nicht daran gedacht habe!“ entschuldigte sich der Professor.
    Stolz plusterte sich Ping Pinguin. „Laßt mich hinauf! Ich bin nicht so zimperlich, ich kann stundenlang auf Eis liegen!“
    Sie hoben Wawa herunter und setzten Ping Pinguin auf das Ei. Er breitete die Flügelstummel aus, ließ sich auf den Bauch nieder und wackelte sich umständlich zurecht. „Na?“
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