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Urlaub mit Papa

Urlaub mit Papa

Titel: Urlaub mit Papa
Autoren: Dora Heldt
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»Heinz kommt mit nach Norderney« würde schon alles sagen. Ich musste diesem Satz den Schrecken nehmen, schließlich hatten wir uns auf diese zwei Wochen gefreut, ich wollte auch nicht, dass jemand meinen Vater anstrengend fand, was er aber leider war. Ich formulierte die Sätze im Kopf. »Dorothea, stell dir vor, Heinz kommt mit, ist das nicht nett?« Das ging nicht. »Hallo Dorothea, meine Mutter hat endlich einen OP-Termin für ihr künstliches Knie, macht es dir etwas aus, dass Heinz mit nach Norderney kommt? Er kriegt es leider nicht auf die Reihe, sich allein zu ernähren.« Ging auch nicht. »Dorothea, du kennst und magst doch meinen Vater. Wie findest du die Idee, ihn mit nach Norderney zu nehmen, damit er meiner Mutter in der Klinik nicht auf die Nerven geht?« Großartig. »Dorothea, ich habe mir überlegt, dass Heinz uns bei der Renovierung von Marleens Pension helfen könnte, ich möchte ihn gern mitnehmen.« Das würde sie mir nicht glauben. »Dorothea, sag mal…«
    Die Wohnungstür wurde geöffnet, Dorothea stand vor mir, einen Einkaufskorb in der Hand. »Hallo Christine, ich wollte gerade zum…«
    »Heinz kommt mit.«
    Das war nicht gut formuliert. Dorothea runzelte die Stirn.
    »Zum Einkaufen?«
    »Nach Norderney.«
    »Welcher Heinz?… Dein…?«
    »Ja, der.«
    »Mit uns? Zu Marleen? Am Samstag?«
    »Ja.«
    Ich wartete auf einen Zusammenbruch, einen verständnislosen Blick oder einen Schreikrampf, aber nichts passierte. Ungerührt stellte Dorothea ihren Einkaufskorb ab und ging zurück in ihre Wohnung. Ich folgte ihr in die Küche und sah zu, wie sie begann, Tee zu kochen. Pfeifend. Ich erkannte ›O mein Papa‹ und bemühte mich um ihr Verständnis.
    »Meine Mutter hat mich vorhin angerufen. Sie bekommt doch ein neues Kniegelenk und jetzt ist ganz plötzlich ein OP-Termin frei geworden, irgendjemand ist da wohl abgesprungen. Meine Tante ist im Urlaub, meine Schwester segelt in Dänemark, mein Bruder ist auf Geschäftsreise, also bin ich die Einzige, die sie erreichen konnte. Du kennst ja meinen Vater, der kann nicht zwei Wochen allein zu Hause bleiben. Er weiß noch nicht mal, wie man Kaffee kocht. Geschweige denn eine Kartoffel. Oder ein Ei. Außerdem ist er farbenblind und dementsprechend zieht er sich auch an, wenn keiner guckt.«
    Ich überlegte, was ich noch sagen könnte, ohne ihm die Würde zu nehmen. Es war schwierig, Dorothea sollte nicht schlecht über ihn denken, andererseits hatte er einige Angewohnheiten, die, vorsichtig umschrieben, eher ungewöhnlich waren.
    »Ich finde deinen Vater witzig.«
    Ich schluckte. Dieses Wort hätte ich nicht gewählt. Dorothea goss kochendes Wasser in die Teekanne und drehte sich zu mir um.
    »Heinz ist doch noch richtig fit. Und wenn er Lust hat, uns zu helfen, ist das doch nett. Wenn ihm das nicht zu anstrengend wird.«
    Wenn 
ihm
 das nicht zu anstrengend wird?
    Dorothea stellte die Teekanne auf den Tisch und nahm Tassen aus dem Schrank.
    »Mach doch nicht so ein besorgtes Gesicht. Wir können ja drauf achten, dass er sich nicht zu viel zumutet.«
    »Dorothea, du verstehst mich nicht. Ich habe eher Sorge, dass er 
mir
 zu viel zumutet. Er kann ein bisschen anstrengend sein. Er kann wirklich nichts allein, er muss beschäftigt werden, er mischt sich in alles ein, er weiß alles besser, er hat vor allem Neuen Angst, er…«
    Ich biss mir auf die Zunge, das wollte ich alles gar nicht erzählen. Ich habe meinen Vater gern. Am liebsten mit drei Stunden Fahrzeit zwischen uns. Oder im Beisein meiner Mutter. Oder mal auf eine Tasse Kaffee. Aber zwei Wochen in einer Ferienwohnung mit ihm, mit drei Stunden Fahrzeit 
zu
 meiner Mutter, die in einer Hamburger Klinik ihr neues Kniegelenk pflegt, das konnte zu ungeahnten Turbulenzen führen. Aber das würde Dorothea nicht verstehen. Das würde sie erleben müssen. Ich rührte Zucker in meinen Tee und sah Dorothea an.
    »Na ja, vielleicht wird es tatsächlich ganz entspannt und Marleen freut sich über seine Hilfe.«
    Ich glaubte mir selbst kein Wort. Dorothea nickte.
    »Siehst du. Ich freue mich jedenfalls auf die beiden Wochen, auch mit Heinz. Da werden wir doch einiges erleben, oder?«
    Ich versuchte zu nicken. Darauf konnten wir wetten.
    Meine Freundin Marleen hatte eine alte Pension mit Kneipe auf Norderney übernommen. Eine Tante von ihr hatte sie jahrzehntelang geführt und vor einem Jahr, mit fast 70, beschlossen , dass sie jetzt endlich mal leben müsse. Treibende Kraft bei diesen Plänen war
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