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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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sich selbst in die Zügel wie einem Pferd.
    »Quod erat demonstrandum? Was wolltest du sagen? Ach ja … August war also begierig, Antoines Platz einzunehmen. Keinen Pfifferling kümmerte er sich darum, ob Antoine dabei groß wurde oder nicht. Ja oder nein? Er wollte nur Gewißheit erlangen, daß sein Ruf nicht unbegründet war. Wie ein Fisch schnappte er nach dem Köder.«
    Bah! August spuckte vor Abscheu aus. Seine Kehle war vor Erregung ausgedorrt. Er klatschte in die Hände und bestellte ein neues Glas.
    »Mein Gott«, nahm er das Selbstgespräch wieder auf, nachdem er seinen Gaumen angefeuchtet hatte, »ist es vorstellbar, daß sich ein Mann selbst solche Schlingen legt! Heute glücklich, morgen bis zum Kragen im Sumpf. Was für ein Narr! Was bin ich für ein Narr!« Einen Augenblick lang vermochte er ganz nüchtern zu denken.
    »Gut! Eines versteh ich nun – mein Glück war wirklich, aber ohne Grundlage. Ich muß es wiedergewinnen, aber diesmal auf redliche Art. Und ich muß es mit beiden Händen festhalten wie ein kostbares Kleinod. Ich muß lernen, als August glücklich zu sein, als der Clown, der ich bin.«
    Er trank einen Schluck Wein und schüttelte sich dann wie ein nasser Hund.
    »Möglicherweise ist dies die letzte Gelegenheit, die sich bietet. Ich steige noch einmal aus dem Nichts empor.«
    Über das fing er an, sich einen neuen Namen auszudenken. Dieses Spiel führte ihn weit fort.
    »Gewiß«, sagte er und vergaß den Namen schon wieder, den er eben für sich bestimmt hatte, »ich werde eine neue Nummer ausbauen, eine völlig neue Sache. Wenn es mich auch nicht glücklich macht, wird es mich doch frisch erhalten. Vielleicht Südamerika …«
    Sein Entschluß zum Neubeginn war so stark, daß er beinahe im Galopp zum Rummelplatz zurückkehrte. Sofort begab er sich auf die Suche nach dem Boss. »Es ist beschlossen«, rief er atemlos. »Ich gehefort, weitfort, dorthin, wo mich niemand kennt. Ich werde noch einmal ganz von vorne beginnen.«
    »Aber warum?« schrie der dicke Mann. »Warum wollen Sie von vorne beginnen, wenn Sie's hier schon zu großem Ansehen gebracht haben?«
    »Sie werden es nicht verstehen, aber ich will es Ihnen trotzdem sagen. Weil ich glücklich sein möchte diesmal.«
    »Glücklich? Ich verstehe nichts. Warum glücklich?«
    »Weil es gewöhnlich für einen Clown das Glück ist, ein anderer zu sein als er selbst.«
    »Ich verstehe kein Wort … Hören Sie zu, August …«
    »Einen Augenblick«, bat August händeringend. »Was macht die Leute lachen und schreien, wenn sie uns sehen?«
    »Lieber, alter Junge! Was hat das alles miteinander zu tun? Das sind Haarspaltereien. Laß uns vernünftig reden. Kehren wir auf den Boden der Wirklichkeit zurück.«
    »Aber das zu tun, bin ich eben dabei«, erklärte August feierlich. »Wirklichkeit! Das ist das rechte Wort dafür. Nun weiß ich, wer ich bin, was ich bin und was ich tun muß. Das ist die Wirklichkeit. Was Sie Wirklichkeit nennen, ist Sägemehl, es bröckelt weg, schlüpft durch die Finger.«
    »Mein lieber August«, begann der Boss wieder, als spreche er zu einem Verlorenen, »Sie haben zuviel nachgedacht. Keine voreiligen Entscheidungen. Kommen Sie …«
    »Nein«, sagte August fest. »Ich brauche keinen Trost, keinen Ratschlag. Mein Entschluß ist gefaßt.« Er hob die Hand zum Abschied.
    »Wie Sie glauben«, sagte der Boss und zuckte die Schultern. »Also – leben Sie wohl! So meinten Sie's doch?«
    Noch einmal machte er sich auf den Weg in die Welt, entschlossen, diesmal ganz in ihr aufzugehen. Als er sich der Stadt näherte, fiel ihm ein, daß er nur wenige Sous in der Tasche hatte. In wenigen Stunden würde er hungern, die Kälte würde kommen, und er würde sich wie die Tiere des Feldes zusammenrollen und liegen und die ersten Sonnenstrahlen erwarten. Warum hatte er sich entschlossen, Straße für Straße bis zu ihrem Ende zu trampen? Er wußte es nicht. Hätte er nicht ebensogut seine Kräfte sparen können?
    »Und wenn ich eines Tages wirklich nach Südamerika aufbreche?«
    Er hatte wieder laut mit sich selbst zu sprechen begonnen.
    »Es kann Jahre dauern. Und welche Sprache soll ich dort sprechen? Und warum sollten sie mich nehmen, mich, einen Fremden und Unbekannten? Wer weiß, ob sie überhaupt einen Zirkus haben da unten? Und wenn, werden sie ihre eigenen Clowns haben – in ihrer Sprache.« In einem kleinen Park angekommen, setzte er sich auf eine Bank.
    »Das muß noch genauer bedacht werden«, warnte er sich selbst.
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