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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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verlängerten Flitterwochen zurückgekehrt. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie der Stand ihrer Beziehung momentan ist, da ich schon einige Wochen nichts mehr von ihnen gehört habe, und die Flitterwochen wurden durch einige unglückliche Vorkommnisse verkompliziert. Es hat einen Mord in ihrem Haus gegeben, und soweit ich weiß, hat der emotionale Aufruhr im Bemühen, den Täter der Justiz zuzuführen, eine erhebliche Störung verursacht. Mein Neffe hat es mit den Nerven und ist ein verklemmter Pedant, während meine Nichte, wie ich sie nach dieser Heirat nennen darf, ein Dickkopf voller Energie und Freiheitsdrang ist. Beide werden sie von einem wahrhaft diabolischen Stolz geritten. In Mayfair lauert man schon auf das Ergebnis dieser ungewöhnlichen Versuchsanordnung einer ehelichen Verbindung.»
    «Nähern sich denn alle Engländer», forschte Monsieur Daumier, «ihrer Auserwählten als Perseusgestalt?»
    «Das würden sie wohl alle gern – aber glücklicherweise ha
    ben nicht alle die Gelegenheit dazu. Es ist eine Rolle, die man nur schwer ohne eine gehörige Portion Selbstverliebtheit durchhalten kann.»
    In diesem Moment erhob sich der Mann mit dem Monokel auf eine Mitteilung des Kellners hin und kam den langgezogenen Speisesaal des Hotels herunter, anscheinend auf dem Weg zum Telefon. Er nickte Mr. Delagardie zur Begrüßung zu, ging aber weiter, sich sehr gerade haltend und mit dem flinken, leichtfüßigen Schritt eines guten Tänzers. Währenddessen ruhten die dunklen und zugegebenermaßen hübschen Augen seiner Frau mit einem eigenartig konzentrierten Ausdruck auf ihm – nicht unbedingt verwirrt oder ängstlich oder besorgt, auch wenn Monsieur Daumier alle drei Adjektive durch den Kopf gingen, um sofort wieder fallengelassen zu werden.
    Er sagte: «Was die Gemahlin Ihres Neffen angeht, so habe ich mich getäuscht. Er ist ihr nicht gleichgültig. Aber mir scheint, sie ist sich seiner nicht ganz sicher.»
    «Das», antwortete Mr. Delagardie, «mag wohl sein. Kein Mensch kann sich meines Neffen Peter je sicher sein. Aber ich denke, sie ist ihm auch nicht ganz gleichgültig. Wenn er mit ihr spricht, ohne sie dabei anzusehen, dann wahrscheinlich, weil er etwas zu verbergen hat – entweder Liebe oder Haß; ich habe schon das eine wie das andere beobachten können, wenn die Flitterwochen erst einmal vorüber waren.»
    « Évidemment», mußte Monsieur Daumier zugeben.
    «Nach dem, was Sie erzählen, muß die Beziehung zwischen diesen zweien von höchst delikater Natur sein. Dies um so mehr, als beide nicht mehr ganz jung an Jahren sind.»
    «Mein Neffe wird bald sechsundvierzig, und seine Frau ist Anfang Dreißig. Oh! Die Harwells haben uns bemerkt, ich glaube, sie kommen zu uns herüber. Ich kenne sie nicht allzu gut. Der alte Harwell war mit Sir Impey Biggs befreundet, der bei den Wimseys ein und aus geht, so daß ich den Sohn und seine Frau gelegentlich bei gesellschaftlichen Anlässen getroffen habe.»
    Monsieur Théophile Daumier war hoch erfreut über die Gelegenheit, Rosamund Harwell aus der Nähe betrachten zu können. Sie war der Typ, den er ausgesprochen schätzte. Es war nicht nur das weich fließende Rotgold der Haare oder das flüssige Bernstein ihrer Augen, die leicht schräg unter die geschwungenen, fein gezeichneten Brauen gesetzt waren; auch war es nicht allein der volle rote Schwung der Lippen oder die Blässe der Haut, obwohl all das, für sich genommen, dazu beitrug. Das Gesicht war herzförmig, und der Körper, den man unter dem enganliegenden Kleid mehr als nur erahnen konnte, ließ ihn an die unverhüllten Reize einer Botticelli-Venus den ken. Solche Eigenschaften würdigte Monsieur Daumier lediglich mit dem kalten Blick eines Kenners. Nein, es war ihre überwältigende Weiblichkeit, die sein Blut in Wallung brachte und ihm zu Kopf stieg wie das Bouquet eines edlen Weins. Er war sehr empfänglich für eine Ausstrahlung dieser Art und verblüfft, sie bei einer Engländerin vorzufinden, denn er hatte sich damit abgefunden, von den Engländerinnen entweder mit einer aggressiven Ungeschlechtlichkeit oder aber einer erstikkenden mütterlichen Liebenswürdigkeit konfrontiert zu werden: das eine wie das andere bar jeder Anziehungskraft. Und auch die Stimme, mit der Mrs. Harwell den Gemeinplatz äußerte: «Sehr erfreut» – sie war warm, volltönend, melodisch, wie goldenes Glockengeläut, eine Stimme voller Verheißung.
    Mr. Delagardie erkundigte sich, ob die Harwells einen längeren Aufenthalt in
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