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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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sagte: Da mußt du noch warten, Carrie. Du bekommst sie erst — na, sagen wir in acht oder neun Jahren.
      Nein, ich nicht, sagte sie. Momma sagt, gute Mädchen bekommen sie nicht. — Sie sah für ein kleines Mädchen eigenartig aus, halb traurig, halb selbstbewußt.
      Ich konnte das kaum glauben, und der erste Gedanke, der mir dazu einfiel, kam mir auch sofort über die Lippen. Ich sagte: Nun, ich bin ein gutes Mädchen. Und hat deine Mutter denn keine Brüste? Sie senkte den Kopf und sagte irgend etwas so leise, daß ich es nicht verstehen konnte. Als ich sie bat, es zu wiederholen, sah sie mich herausfordernd an und erklärte, ihre Momma sei schlimm gewesen, als sie sie machte, und deshalb hätte sie Brüste bekommen. Sie nannte sie Schmutzkissen.
      Ich konnte das einfach nicht fassen. Ich war sprachlos. Mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können. Wir starrten einander nur an, und ich hätte den traurigen kleinen Wurm am liebsten gepackt und wäre mit ihm weit weggelaufen.
      Und da kam Margaret White aus ihrer Hintertür und sah uns.
      Sekundenlang stand sie nur da und glotzte, als traute sie ihren Augen nicht. Dann öffnete sie den Mund und brüllte. Es war das scheußlichste Geräusch, das ich jemals in meinem Leben gehört hab’. Wie wenn ein Alligator in einem Sumpf brüllt. Sie machte einfach den Mund auf und plärrte los. Wut. Maßlose, gefährliche Wut. Ihr Gesicht wurde so rot wie ein Feuerwehrauto, und sie ballte die Hände zu Fäusten und brüllte zum Himmel hinauf. Sie bebte am ganzen Körper. Ich dachte, der Schlag würde sie treffen. Ihr Gesicht sah aus wie diese
    Wasserspeier an Dachrinnen. Eine Teufelsfratze.
      Ich hab’ geglaubt, Carrie würde ohnmächtig oder auf der Stelle sterben. Sie hielt die Luft an, und das kleine Gesicht wurde weiß wie Hüttenkäse.
      Ihre Mutter schrie: CAAAAARRRRIEEEEEE!
      Ich sprang auf und schrie zurück: Schreien Sie sie doch nicht so an! Sie sollten sich schämen! — Irgend so etwas Dummes. Ich weiß nicht mehr. Carrie schickte sich an, zurückzugehen, dann blieb sie stehen, und dann ging sie wieder ein paar Schritte, und gerade als sie von unserem Rasen auf den ihren trat, sah sie zu mir zurück, und da war ein Ausdruck... oh, entsetzlich. Ich kann es gar nicht sagen. Sehnsucht und Haß und Angst... und Elend. Als sei das Leben selbst wie ein Stein auf sie gefallen. Und das alles im Alter von drei Jahren.
      Meine Mutter kam auf die Hintertreppe, und ihr Gesicht zog sich zusammen, als sie das Kind sah. Und Margaret... oh, die schrie Sachen wie Schlampe und Dirne und daß die Sünden der Väter bis ins siebente Glied kämen. Meine Zunge fühlte sich an wie eine vertrocknete Pflanze.
      Eine Sekunde stand Carrie schwankend zwischen den beiden Gärten, dann sah Margaret White nach oben, und — ich schwör’s beim lieben Gott — sie bellte zum Himmel. Und dann begann sie... sich selbst zu verletzen, sich zu zerkratzen. Sie fuhr sich mit ihren Nägeln über Hals und Wangen, sie zerriß ihr Kleid.
      Carrie schrie auf: Momma! und rannte zu ihr.
      Mrs. White kauerte sich hin, wie ‘ne Art... Frosch, ihre Arme öffneten sich weit. Ich dachte, sie würde sie zerquetschen, und ich schrie. Die Frau grinste. Grinste und sabberte.
      Oh, mir war schlecht. Himmel, war mir schlecht.
      Sie hob sie hoch, und dann ging sie hinein. Ich drehte mein Radio ab und konnte sie hören. Einige Worte, nicht alle. Man brauchte nicht alles zu hören, um zu wissen, was da vor sich ging. Beten und Schluchzen und Pfeifen. Verrückte Laute. Und Margaret, die dem kleinen Mädchen befahl, in den Schrankraum zu gehen und zu beten. Das kleine Mädchen schrie und weinte und sagte, es täte ihm leid. Dann nichts mehr. Und meine Mutter und ich sahen einander nur an. Ich hab’ Mom niemals mehr so elend gesehen, nicht einmal, als Dad starb. Sie sagte: Das Kind..., und das war alles. Wir gingen hinein.‹
      Sie steht auf und geht zum Fenster, eine hübsche Frau in einem gelben, rückenfreien Sommerkleid. ›Es ist beinahe, als erlebe man das noch einmal, wissen Sie‹, sagt sie, ohne sich umzuwenden. ›Ich bin innerlich wieder ganz aufgewühlt.‹ Sie lacht ein bißchen und verschränkt ihre Arme.
      ›Oh, sie war so hübsch. Das kann man nach diesen Bildern überhaupt nicht mehr beurteilen.‹
      Draußen fahren Autos vorüber, und ich sitze da und warte, daß sie weiterspricht. Sie erinnert mich an einen Stabhochspringer, der die Latte anschaut und sich fragt,
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