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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nanu
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Klassenkameraden haben sie ge ­ beten, die Rangfolge der Klasse zu berechnen, weil sie so gut mit Zahlen umgehen kann. Sie wollten ihr die Noten ihrer Zwischenzeugnisse durchgeben, die am Dienstag be ­ kannt gegeben werden sollten. Aber sie versucht seit drei Tagen, einige der besten Schüler, unter anderem Brad Marensky und Greer Dawson, zu bewegen, ihr die Französisch ­ noten zu geben und schafft es nicht. Ich weiß ja, sie haben beide Mannschaftstraining, aber warum antworten sie nicht auf Heathers Nachfragen? Ich meine, sie haben alle gesagt, sie wollten, dass sie das macht.«
    »Ich weiß es bestimmt nicht, Audrey. Wenn du Heather nach Bennington schickst, hat sie überhaupt keine Noten mehr.«
    Audrey machte Tsss und schulterte ein Tablett mit Obst und Käse. Im Saal stellte Miss Kaplan über Mikrofon den Redner des Abends vor, einen Mr. Rathgore. Ich brachte das erste Tablett mit Tassen hinaus, kehrte zurück, um den Wein und den Apfelsaft zu holen und huschte gerade recht ­ zeitig wieder hinaus, um zu sehen, dass die bedrückte Hea ­ ther in ein heftiges Gespräch mit ihrer Mutter vertieft war, die verblüfft die Stirn runzelte.
    Julian saß zwischen Egon Schlichtmaier und Macguire Perkins. Die drei kicherten über einen gemeinsamen Scherz, als Mr. Rathgore, ein glatzköpfiger Bursche in glän ­ zendem Kunstseide n anzug, seinen Vortrag begann.
    »Wir alle hassen Prüfungen«, sagte er. Ein Chor von Seuf ­ zern begrüßte seine Worte.
    Ich warf einen verstohlenen Blick auf den Direktor, der a b wesend nickte. Perkins wirkte noch abgehärmter als am Morgen. Die Marenskys und die Dawsons hatten sich vor ­ sichtshalber en t schlossen, auf entgegengesetzten Seiten des Raumes Platz zu nehmen. Brad Marensky trug ein Johns- Hopkins-Sweatshirt; Greer Dawson war wieder in waldgrüne Moiré-Seide gehüllt. Zwischen den Dawsons und Audrey, die auf einer Couch seitlich des Redners saß, spielte sich of ­ fenbar ein Kampf ab, der mit stahlharten Blicken ausgefochten wurde. Nach einem Moment berührte Heather je ­ doch ihre Mutter am Arm, und Audrey wandte den Blick von den Dawsons ab.
    »Schlimmer noch, es kann vorkommen, dass wir in den ze r mürbenden Prozess geraten, uns mit unseren Kindern zu ident i fizieren, wenn sie Prüfungen machen«, fuhr Mr. Rathgore fort. »Alte Verhaltensmuster wiederholen sich. El ­ tern nehmen die schlechten Leistungen ihrer Kinder ern ­ ster, als die Kinder selbst …«
    Das war kein Spaß. Die Leute begannen, unbehaglich auf ihren Stühlen herumzurutschen, was ich der Tatsache zu ­ schrieb, dass der Vortrag den Nagel etwas zu genau auf den Kopf traf. Als ich die Pappbecher einzeln herausnahm, sah ich aus den Augenwinkeln, dass einige Zuhörer aufstanden, sich reckten und durch den Raum schlenderten. Vielleicht konnten sie es nicht länger ertragen, an ihre letzte Erfolgs chance erinnert zu werden. Ich wandte mich mit au f merk ­ samer Miene Mr. Rathgore zu, sah aber statt dessen in das graue Gesicht Direktor Perkins’, der durch den Raum zu mir g e kommen war.
    »Goldy«, flüsterte er laut, »ich bin erschöpfter als Perry, nac h dem er die Antarktis durchquert hatte.« Er bedachte mich mit einem kühlen, schiefen Lächeln. Offenbar hatte er mir verziehen, dass ich den Wirbel um Pamela Samuelson und ihre Benotung angesprochen hatte. »Bitte sagen Sie mir, dass das kein entkoffeinierter Kaffee ist.«
    »Es ist keiner«, versicherte ich ihm, während ich ihm das schwarze Getränk in die erste Tasse goss. »Unverfälschter Kaffee, versprochen. Und nehmen Sie einen Valentinskeks dazu, sie heißen Sweetheart-Sandwiches.«
    Seine ausdrucksvolle Stirn legte sich in Falten. »Valen ­ tinskekse? Wir haben nicht einmal das Erntedankfest über ­ standen! Ein bisschen früh, finden Sie nicht?«
    Doch ehe ich antworten konnte, tauchte Tom Schulz an der anderen Seite des Tisches auf und begrüßte mich mit breitem Lächeln. »Hast du für mich auch ein paar?«
    »Endlich«, sagte ich mit einem Strahlen, das ich nicht zurüc k halten konnte. »Du bist zurück.« Ich reichte ihm eine Tasse dampfenden, duftenden, schwarzen Kaffees und einen Teller mit Sweetheart-Sandwiches. Der Direktor setzte zu einer jovialen B e grüßung für Schulz an, doch sie blieb ihm im Halse stecken. Er wurde rot.
    »Du hast noch etwas für mich?« raunte Schulz mir zu und ignorierte Perkins’ Unbehagen. Mr. Rathgore unterbrach seinen Vortrag und sah stirnrunzelnd zum Kaffeetisch hin ­ über. Einige Eltern

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