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Unschuldslamm

Unschuldslamm

Titel: Unschuldslamm
Autoren: Judith Arendt
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erkannte sie an den roten Flecken auf seinen Wangen. Er fasste Ruth sogar am Arm, offenbar gab es sensationelle Neuigkeiten.
    »Er sagt heute aus!«, stieß Hochtobel statt einer Begrüßung hervor.
    »Aras Demizgül?« Die Aufregung ihres Mitschöffen übertrug sich sofort auf Ruth. Dass Aras plötzlich aussagen wollte, nach so langem Schweigen, hatte sicherlich vor allem mit der belastenden Aussage am vergangenen Verhandlungstag zu tun, andererseits könnte auch die Information von dieser Sergul ein Auslöser sein. Aber sie durfte Hochtobel nicht erzählen, dass sie davon wusste, das musste topsecret bleiben.
    Es waren nicht ganz zwei Wochen vergangen seit ihrem Geburtstag. Sie hatte beinahe täglich, nein, das war gelogen, eigentlich stündlich damit gerechnet, dass Hannes Eisenrauch sich bei ihr melden würde. Um ihr zu sagen, welchen Einfluss Valentins Aussage auf die Ermittlungen hatte. Natürlich, schalt sie sich dann, durfte er das nicht tun. Aber sie hatte gehofft, dass er sich darüber hinwegsetzen würde. Ach nein, nicht einmal das war es. Sie hatte einfach auf ein Lebenszeichen von ihm gehofft. Auf ein »Danke für das schöne Fest« oder »Entschuldigung, dass ich einfach so verschwunden bin«. Sie hatte auf eine Geste von seiner Seite gehofft, dass es da etwas gab zwischen ihnen. Etwas, das vielleicht außerhalb des Prozesses eine Chance hätte, zu wachsen. Aber dann hatte sie sich immer wieder den goldenen Ring an seinem Finger in Erinnerung gerufen.
    Ernst Hochtobel ging jetzt eng neben ihr her und briefte sie mit Flüsterstimme. »Ich weiß es vom Gerichtsdiener. Die anderen Zeugen für heute wurden ausgeladen.« Hochtobel rieb sich vorfreudig die Hände. »Mein Gott, ist das spannend. Wenn das so weitergeht, hängen wir sicher noch ein paar Verhandlungstage dran.«
    Ruth dachte daran, was das für sie bedeutete. Sie konnte die Freude des Rentners in diesem Punkt nicht vollständig teilen. Einerseits fand sie es nur angemessen, dass die Justiz sich alle Zeit nahm und jeden neu aufgetauchten Punkt in dem Verfahren genau prüfte. Das hatte der Angeklagte in jedem Fall verdient, ob schuldig oder nicht schuldig. Und gerade im Fall Demizgül, in welchem sich das Blatt so häufig gewendet hatte und in dem es immer noch so viele offene Fragen gab, würde mehr Zeit auch mehr Sicherheit für die Urteilsfindung bedeuten.
    Außerdem hatte sie dann häufiger Gelegenheit, den Staatsanwalt zu sehen, dachte Ruth heimlich, verbannte den Gedanken aber gleich wieder in ein winziges Hirnkämmerlein.
    Auf der anderen Seite war es für sie als Selbständige nicht einfach, noch öfter im Bistro zu fehlen. Jeder Schöffe bekam zwölf Verhandlungstage im Jahr zugeteilt. Gegen Aufwandsentschädigung, versteht sich. Nicht immer wurde man dann auch für einen Fall ausgelost, manchmal reduzierten sich diese Tage also von selbst. Wenn allerdings eines der Verfahren, denen man beigestellt wurde, länger wurde als geplant, was insbesondere bei Wirtschaftsverbrechen häufig der Fall war, addierten sich diese zusätzlichen Tage noch zu den zwölf regulären. Das konnte sich Ruth eigentlich nicht leisten. Denn obwohl Jamila im Moment noch bereitwillig für Ruth einsprang, hieß das nicht, dass das in Zukunft so unproblematisch bleiben musste. Schließlich hatte ihre marokkanische Freundin ein kleines Kind.
    Des Weiteren bezahlte Ruth ihre Angestellte für die zusätzlichen Arbeitsstunden auch extra. Wenn sie also diese finanziellen Einbußen nicht hinnehmen wollte, musste sie dafür ihre eigenen Urlaubstage opfern. War es ihr das wert? Noch während Ruth darüber nachdachte, kam ihnen Veronika Karst mit dem älteren Richter auf dem Gang entgegen.
    »Na, das wird ja spannend heute«, nickte die Richterin den beiden Schöffen zu und bat sie alle ins Beratungszimmer. Der junge Richter wartete dort bereits. Er telefonierte, beendete das Gespräch aber sofort, als die anderen den Raum betraten.
    Nachdem die Vorsitzende Richterin beim Gerichtsdiener um Kaffee und Wasser gebeten hatte, setzte sie alle im Raum Anwesenden von der geänderten Planung des Verhandlungstages in Kenntnis.
    »Laut dem Verteidiger, Herrn Kaimoglu, hat sich der Angeklagte nun doch zu einer Aussage bereit erklärt. Das begrüße ich außerordentlich, ich glaube, ich spreche damit auch für alle anderen. Auch der Verteidiger war recht dankbar für den Haltungswechsel seines Mandanten, das habe ich gemerkt.«
    »Hat das mit der Aussage des Belastungszeugen zu tun?«,
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