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Unheil

Unheil

Titel: Unheil
Autoren: James Herbert
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schnappte, und ihr Gesicht erschien in dem von der Sicherungskette eingeengten Türspalt. Angespannt und mit vom Weinen geröteten Augen, die schon wieder naß wurden.
    »Ach, John!« rief sie. »Ich wußte nicht, was mit dir geschehen war. Ich machte mir solche Sorgen...« Sie brach ab und schloß den Türspalt, um die Sicherungskette auszuhängen. »Den ganzen Tag hat jemand versucht, hereinzukommen.« Sie öffnete die Tür ganz, und er zog sie an sich, umschlang sie mit den Armen und lockerte den Griff nur leicht, um ihr Gesicht zu küssen.
    Sie weinte vor Glück und Erleichterung, als er sie in die Diele zurückdrängte und die Tür mit dem Absatz zustieß.
    Sie machte sich aus seinen Armen frei, blickte in sein Gesicht, und ihre Augen spiegelten Erschrecken und Sorge. »John, was ist dir zugestoßen? Was haben sie dir angetan?«
    Er lächelte müde. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte er. »Zuerst wollen wir zusammen einen trinken. Dann gehen wir ins Bett, und ich werde dir alles erzählen. Und dann werden wir schlafen. Wir werden lange und wunderbar schlafen.«
    Sie lächelte ängstlich zurück, halb neugierig, aber voller Glück. Und dann erstarrte ihr Gesicht in einem Ausdruck von Angst und Schrecken, als sie etwas hinter ihm auftauchen sah, etwas, was die Tür daran gehindert hatte, ganz ins Schloß zu fallen. Verwundert von ihrem ängstlichen Blick wandte Holman sich um. Der Atem stockte ihm.
    In der Türöffnung stand Barrow, ein seltsames Lächeln im Gesicht.
    Holman drehte sich um, so daß er dem Kriminalbeamten gegenüberstand und Casey hinter ihm war.
    »Hallo, Barrow«, sagte er wachsam.
    Keine Antwort, keine Bewegung.
    Casey berührte seine Schulter und sagte in einem drängenden Flüsterton: »Er muß es gewesen sein. Jemand hat den ganzen Tag versucht, hereinzukommen, hat gegen die Tür geschlagen, versucht, sie aufzubrechen. Wenn ich hinausrief, bekam ich nie eine Antwort, aber die Schläge hörten auf, um eine Stunde später wieder anzufangen. Er muß die ganze Zeit draußen gewesen sein.«
    »Was wollen Sie, Barrow?« fragte Holman.
    Wieder blieb eine Antwort aus. Nur das seltsame, beunruhigende Lächeln blieb. Holman bemerkte, daß der Mann makellos gekleidet war: dunkelbrauner, dreiteiliger Anzug, weißes Hemd, dunkelgrüne Krawatte. Nur sein abwesender Blick und das verkrampfte Lächeln verrieten seinen geistesgestörten Zustand. Dann schob Barrow plötzlich die Hand in die rechte Jackentasche und zog etwas heraus. Holman konnte nicht gleich sehen, was es war, aber als Barrow es auseinanderwickelte, erkannte er ein ungefähr meterlanges Stück dünnen Draht, mit zwei kleinen hölzernen Handgriffen an den Enden.
    »Geh ins Schlafzimmer, Casey und sperr die Tür zu«, sagte er mit halblauter Stimme, ohne den anderen aus den Augen zu lassen.
    »Nein, John, ich verlasse dich nicht.«
    »Tu, was ich dir sage«, herrschte er sie an. Er merkte, daß sie sich von ihm entfernte und hörte die Schlafzimmertür klappen.
    »Was wollen Sie, Barrow?« fragte er noch einmal, ohne eine Antwort zu erwarten. Aber diesmal erhielt er eine.
    »Dich«, sagte Barrow. »Dich, du Lump.«
    Er hatte die Handgriffe des Drahtes jetzt in beiden Händen und hielt sie in Brusthöhe so, daß der Draht gespannt war. Holman konnte sich vorstellen, wie die makabre Waffe gebraucht werden sollte: als Garrotte. Um den Hals des Opfers geschlungen, würde der Draht Luftröhre und Halsschlagader zudrücken und innerhalb von Sekunden töten.
    Barrow kam einen Schritt näher.
    Holman hatte an diesem Tag zu viel durchgemacht, um Zeit mit Beschwichtigungsversuchen zu vergeuden, und Barrow war ihm bereits zu nahe, als daß er den Griff zum Revolver hätte riskieren können. Also griff er zuerst an.
    Er duckte sich, warf sich voll auf den Kriminalbeamten, und beide flogen durch die offene Wohnungstür hinaus und landeten auf dem Boden des Treppenabsatzes. Holman lag auf dem anderen, wurde aber sofort hochgehoben und, zur Seite geworfen, als wäre er eine Schaufensterpuppe. Barrows Kräfte waren unglaublich, und als Holman sich herumwälzte, war ihm klar, daß er keine große Chance gegen den anderen hatte, schon gar nicht in seinem geschwächten Zustand. Er sah plötzlich Casey in der Türöffnung erscheinen, die vor Entsetzen die Augen aufriß, als sie Barrows Waffe sah. Der Kriminalbeamte war aufgesprungen und kam näher, ein trocken glucksendes Geräusch drang aus seiner Kehle, doch als Casey schrie, wandte er den Kopf ihr zu.
    Das
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