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Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Titel: Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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in diesem Moment wird mir klar, wie sehr ich ihn vermisst habe. Ich war so damit beschäftigt, andere zu vermissen – meine Mom, Jeffrey, Tucker, Dad –, so gefangen in allem, was ich zurücklassen musste. Aber jetzt ist es … als höre etwas in mir auf weh zu tun und als sei ich wieder ganz ich selbst, gesund und heil, und erst da begreife ich, dass ich eine ganze Weile mit Schmerz und Kummer gelebt habe. Ich habe seine Stimme in meinem Kopf, in meinen Ohren vermisst. Ich habe sein Gesicht vermisst. Sein Lächeln.
    «Ich hab dich auch vermisst», sagt er belustigt, wobei er sich zu mir herabbeugt, um es mir ins Ohr zu sagen, damit ich es bei dem Lärm hören kann.
    Ich spüre seinen warmen Atem an meinem Hals und fange an zu zittern. Verlegen mache ich einen Schritt zurück, auf einmal bin ich befangen. «Und? Wie war es in der Pampa?» Mehr fällt mir nicht ein.
    Im Sommer fährt sein Onkel immer mit ihm in die Berge, weit weg von allem. Dann wird die ganze Zeit hart trainiert; ohne Internet, ohne Fernsehen und ohne sonstige Ablenkungen lässt sein Onkel ihn das Hervorbringen des himmlischen Glanzes und das Fliegen und die ganzen anderen Fähigkeiten üben, die Engel nun mal so haben. Christian nennt das sein «Sommerpraktikum» und tut, als sei es nicht viel besser als der Drill bei der Armee.
    «Genau wie immer», erwidert er. «Allerdings war Walter dieses Jahr noch gnadenloser, wenn das denn möglich ist. Meistens musste ich gleich bei Sonnenaufgang aufstehen. Er hat mich hart rangenommen, wie einen Sklaven schuften lassen.»
    «Wieso?», frage ich laut, dann schweige ich lieber. Mit der Kraft der Gedanken frage ich: Wofür trainiert er dich denn?
    Sein Blick wird ernst. Das erzähle ich dir später, okay?
    «Und wie war Italien?», fragt er mich dann laut, weil es den Leuten merkwürdig vorkäme, wenn wir einfach nur dastehen und uns ansehen würden, ohne ein Wort zu sagen, während wir in Gedanken ein ausgiebiges Gespräch führen.
    «Interessant», antworte ich. Was den Preis für die Untertreibung des Jahres verdient.
    Genau den Moment wählt Angela, um an meiner Seite zu erscheinen. «Hi, Chris», sagt sie und hebt zur Begrüßung das Kinn. «Wie geht’s, wie steht’s?»
    Er deutet auf die Menge aufgeregter Erstsemester um uns herum. «Ich glaube, allmählich wird mir so richtig bewusst, dass ich jetzt hier bin.»
    «Ich weiß, was du meinst», sagt sie. «Ich musste mich in den Arm kneifen, als wir den Palm Drive runterfuhren. In welchem Wohnheim bist du?»
    «Cedro.»
    «Clara und ich sind beide im Roble. Ich glaube, das ist gegenüber von deinem.»
    «Stimmt», sagt er. «Ich habe schon nachgesehen.»
    Ein Blick in seine Augen genügt, und ich sehe deutlich, dass er froh ist, in einem anderen Wohnheim auf dem Campus gelandet zu sein. Er denkt nämlich, dass ich ihn nicht immer um mich haben möchte, damit er sich aus meinem Kopf heraushält. Er will, dass ich ein bisschen Ruhe habe.
    Ich schicke ihm das geistige Gegenstück einer Umarmung, was ihn überrascht.
    Wofür war das denn? , fragt er.
    «Wir brauchen Fahrräder», sagt Angela da. «Dieser Campus ist riesig. Alle haben Räder.»
    Weil ich froh bin, dass du da bist , sage ich zu Christian.
    Ich bin auch froh, dass ich da bin.
    Und ich bin froh, dass du froh bist, dass du da bist.
    Wir lächeln.
    «He, macht ihr gerade etwa dieses Gedankenverschmelzen?», fragt Angela, und so laut, wie sie nur kann, denkt sie: Das ist nämlich ziemlich lästig .
    Verblüfft lacht Christian auf. Seit wann redet sie denn telepathisch.
    Seit ich es ihr beigebracht habe. So hatten wir etwas zu tun auf dem elfstündigen Flug.
    Meinst du wirklich, das war eine gute Idee? Sie ist doch so schon laut genug … Das war ein Scherz, aber mir ist klar, dass ihm die Vorstellung nicht behagt, dass Angela jetzt unsere heimlichen Gespräche versteht. Das ist etwas Privates. Allein unsere Sache.
    Bisher empfängt sie noch keine Gedanken , sage ich, um ihn zu beruhigen. Sie kann nur senden.
    Das heißt, sie redet, kann aber nicht zuhören. Das passt zu ihr.
    Läs-tig , sagt Angela, verschränkt die Arme vor der Brust und funkelt ihn an.
    Wir lachen beide.
    «Tut mir leid, Ange.» Ich lege ihr den Arm um die Schulter. «Christian und ich haben uns eben viel zu erzählen.»
    In ihrem Blick flackert Sorge auf, ist aber so schnell wieder verschwunden, dass ich mich schon frage, ob ich es mir womöglich nur eingebildet habe. «Tja, also ich finde das unhöflich», sagt
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