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Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab
Autoren: Mary Higgins Clark
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sich mit einem anderen
Typen in einer Bar geprügelt und sich eine Gehirnerschütterung zugezogen. Annie hatte ein Tablett hereingetragen und ihm Vorwürfe gemacht, weil er sein hitziges
Temperament nicht unter Kontrolle gehabt hatte. Sie war
mutig, klein und herrisch auf eine Art, die ihm gefiel. Sie
waren gleich alt, achtunddreißig. Sie waren ein Paar
geworden; dann war sie bei ihm eingezogen. Er war an
diesem Vormittag hergekommen, weil er sich ihr in dieser
Umgebung näher fühlte. Er konnte sich vorstellen, dass sie
jeden Augenblick durch die Halle laufen und ihm sagen
würde, es täte ihr Leid, dass sie so spät dran sei, eines der
anderen Mädchen sei nicht erschienen und sie habe über
die Mittagspause bleiben müssen.
Aber er wusste, dass das nur eine Fantasie war. Sie
würde nie wiederkommen.
Mit einer heftigen Bewegung zerknüllte Ned die
Zeitung, stand auf, ging zu einem in der Nähe stehenden
Abfallbehälter und warf sie hinein. Er lief in Richtung
Ausgang, aber einer der Ärzte, der gerade durch die
Eingangshalle kam, rief ihn zurück. »Ned, ich habe Sie
seit dem Unfall nicht mehr gesehen. Es tut mir aufrichtig
Leid wegen Annie. Sie war ein wunderbarer Mensch.«
»Danke.« Mit Verspätung fiel ihm der Name des Arztes
ein. »Ich danke Ihnen, Dr. Ryan.«
»Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
»Nein.« Er musste etwas sagen. Dr. Ryan sah ihn
neugierig an, musterte ihn von oben bis unten. Dr. Ryan
wusste möglicherweise, dass er auf Annies Drängen ein
paar Mal hier gewesen war, zur psychologischen Beratung
bei Dr. Greene. Aber von Dr. Greene hatte er gleich die
Schnauze voll gehabt, als der zu ihm gesagt hatte: »Finden
Sie nicht, dass Sie mit Annie vorher über den Verkauf des
Hauses hätten reden müssen?«
Die Brandwunde an seiner Hand tat verdammt weh. Als
er das Streichholz auf das Benzin geworfen hatte, waren
die Flammen so schnell hochgeschlagen, dass sie seine
Hand erfasst hatten. Das war seine Ausrede, der Grund,
warum er hier war. Er hielt die Hand vor Dr. Ryan hoch.
»Ich habe mich gestern Abend verbrannt, als ich mir was
zu essen gemacht habe. Ich bin das Kochen nicht gewohnt.
Aber der Warteraum in der Ambulanz ist voll. Ich muss
zur Arbeit. Egal, es ist nicht so schlimm.«
Dr. Ryan besah sich die Hand. »Das ist nicht ganz ohne,
Ned. Es könnte sich infizieren.« Er zog einen Rezeptblock
aus seiner Tasche und kritzelte etwas auf das oberste Blatt.
»Besorgen Sie sich diese Salbe, und tragen Sie sie
regelmäßig auf. Und in ein oder zwei Tagen sollten Sie die
Hand noch mal anschauen lassen.«
Ned dankte ihm und drehte sich um. Er hatte keine Lust,
noch jemand anderem zu begegnen. Gerade hatte er sich
wieder in Richtung Ausgang in Bewegung gesetzt, als er
erneut Halt machte. Um den Haupteingang wurden gerade
Kameras aufgebaut.
Er setzte seine dunkle Sonnenbrille auf, bevor er hinter
einer jungen Frau auf die Drehtür zusteuerte. Kurz darauf
begriff er, dass die Kameras ihretwegen da waren.
Er wandte sich rasch zur Seite und schlüpfte hinter eine
Gruppe von Leuten, die gerade das Krankenhaus hatten
betreten wollen, aber beim Anblick der Kameras stehen
geblieben waren. Aus Neugier. Weil sie nichts Besseres zu
tun hatten.
Die Frau, die jetzt interviewt wurde, hatte dunkle Haare,
war Ende zwanzig und attraktiv. Sie kam ihm bekannt vor.
Plötzlich fiel ihm ein, wo er sie gesehen hatte. Sie war
gestern auf der Aktionärsversammlung gewesen. Sie hatte
die Leute ausgefragt, als sie aus dem Saal strömten.
Sie hatte auch mit ihm zu reden versucht, aber er hatte
sich an ihr vorbeigedrängt. Er konnte es nicht leiden, wenn
man ihm Fragen stellte.
Einer der Reporter hielt ihr jetzt ein Mikrofon unter die
Nase. »Miss DeCarlo, Lynn Spencer ist Ihre Schwester –
ist das richtig?«
»Meine Stief schwester.«
»Wie geht es ihr?«
»Lynn hat Furchtbares durchgemacht. Sie wäre bei dem
Brand beinahe ums Leben gekommen.«
»Hat sie irgendeinen Verdacht, wer das Feuer gelegt
haben könnte? Hat sie irgendwelche Drohungen
bekommen?«
»Darüber haben wir nicht gesprochen.«
»Glauben Sie, dass es jemand sein könnte, der Geld bei
Gen-stone verloren hat, Miss DeCarlo?«
»Darüber möchte ich nicht spekulieren. Ich kann nur
sagen, dass ein Mensch, der vorsätzlich ein Haus in Brand
steckt und dabei in Kauf nimmt, dass sich jemand im
Innern befindet und schläft, entweder psychisch krank
oder durch und durch böse sein muss.«
Neds Augen verengten sich
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