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Und jede Nacht ist Halloween

Und jede Nacht ist Halloween

Titel: Und jede Nacht ist Halloween
Autoren: Valerie Frankel
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Außerhalb seiner Gang kannte ihn eigentlich niemand wirklich. Es war vermutet worden, daß er in den letzten fünfzehn Jahren Manhattan Island, um nicht zu sagen die East Side, nicht verlassen hatte. Mein Exfreund und früherer Kollege Alex Beaudine empfand eine merkwürdige Faszination für Blood & Iron. Ein Möchtegernabenteurer, dieser Alex. Er kann nicht annähernd den Mumm gehabt haben, den Strom haben mußte. Jedenfalls nicht Mumm genug, um sich zu verlieben.
    Mein neuer Besucher drückte seine Zigarette in meinem amöbenförmigen Keramikaschenbecher aus. Ich sagte: »Klar hab’ ich von Strom Bismark gehört. Der räudige Hund — so hingerissen von seiner eigenen rezidiven Art, daß er wahrscheinlich noch nicht mal ins Klo pissen kann, weil ihm das zu normal ist.«
    »Rezidiv? Was heißt das?«
    »Du weißt schon, ein Gewohnheitsabweichler, Verbrecher. Ein Symptom gesellschaftlicher Mißstände.«
    Er sagte: »Freut mich auch, dich kennenzulernen.« Natürlich. Dein üblicher Charme, Mallory.
    »Okay«, sagte ich. »Du bist also der berüchtigte Strom Bismark. Na, wo sind denn die abgehackten Köpfe? Zeig mir doch mal die zehn kleinen Schweinchen, die du dir auf deinen Hintern hast tätowieren lassen — eins für jede vergewaltigte Frau.« Hallo, Legende.
    Strom sagte: »Du glaubst diesen ganzen Kram doch nicht wirklich, oder?« Er sah mich entsetzt an. »Ich habe noch nie in meinem Leben eine Frau vergewaltigt.« Ekeltyp oder nicht, er hatte super Koteletten.
    »Wer immer du sein magst, ich hab’ nichts dagegen, die Luft mit dir zu teilen, aber ich bin eine vielbeschäftigte Frau. Ich habe Termine. Geschäftsessen. Du hältst mich auf.« Strom begutachtete die Unordnung und daraufhin mich. Er wußte, daß ich Scheiß erzählte.
    Er sagte: »Du bist wirklich umwerfend — ein wahrer Knockout.«
    Ich sah beschissen aus. Ich hatte an dem Morgen nicht geduscht, mein roter Wust stand in Winkeln vom Kopf, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat, und meine heutige Garderobe bestand aus jeder Menge Nichts: ein Männer-T-Shirt, zu enge Jeans und Turnschuhe.
    Ich sagte: »Wohl doch eher ein technischer Knockout?«
    »Nee — ich liege auf dem Boden mit fünf angebrochenen Rippen.«
    Ich beäugte ihn noch mal von vorne, aber als Beinetyp wurde ich immer wieder von selbigen angezogen. Sie waren lang und drahtig und steckten in ausgewaschenen Jeans, die in schwarzen Knobelbechern mündeten. Sein linker Knöchel ruhte auf seinem rechten Knie. Wie er sich so im Stuhl zurücklehnte, schien er entspannt und enorm selbstsicher, mit langen dünnen Fingern, die über seiner Gürtelschnalle ineinander verflochten waren. Sein schwarzes T-Shirt verdeckte keinen Bauch, auch nicht die langen straffen Arme eines Gitarristen bzw. dessen, der schon mal jede Menge Äxte geschwungen hatte. Er war selber der Knockout. Ich sollte das speichern, daß er über sich selber sprach, wenn er anderen Komplimente machte. Ein Projektor. Ich erinnerte mich nebulös an einen Artikel über Strom auf der Seite 3 des Daily Mirror im letzten Jahr. Es hatte kein Bild dabei gegeben.
    Ich sagte: »Zeig mal deinen Ausweis.«
    »Hab’ ich nicht dabei.«
    »Du fährst doch ein Motorrad, oder?«
    »Ich hab’ keinen Führerschein.«
    Ich sagte: »Hast du irgendwas anderes?«
    Er schob den Ärmel seines T-Shirts hoch und führte mir eine Tätowierung vor, auf der »Leader of the Pack« über dem Blood-&-Iron — eine rot-schwarze grinsende Fledermaus mit dämonisch ausgebreiteten Flügeln — stand. Der Verrückte, der damit herumliefe, ohne auch wirklich Strom zu sein, wäre schon längst tot. Er mußte also echt sein. Ich wünschte, ich könnte Alex anrufen und ihm erzählen, daß Strom Bismark, der Strom Bismark, mir hier direkt gegenübersaß und mit mir in meinem Büro Süßholz raspelte. Aber das hätte gegen meine eigene Regel verstoßen: Alex und ich durften für den Rest unseres Lebens keinen Kontakt zueinander aufnehmen, was auch immer anliegen mochte. Ein sauberer Bruch. Ich dachte, so würde es mir leichter fallen.
    Strom rollte seinen Ärmel wieder herunter und sagte: »Ich werde dir 500 Dollar am Tag bezahlen. Alles, was du zu tun hast, ist, an einem Blackjack-Tisch in meinem Gesellschafts-Club in Downtown die Karten auszuteilen. Er heißt >Outhouse<. Vielleicht hast du schon mal davon gehört?« Stroms Blick wanderte für eine Sekunde über meine Schulter hinweg und dann wieder zurück zu mir. »Wir haben von zehn Uhr abends bis fünf Uhr
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