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Und jede Nacht ist Halloween

Und jede Nacht ist Halloween

Titel: Und jede Nacht ist Halloween
Autoren: Valerie Frankel
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halbkreisförmige Tische, alle mit den Markierungen für Blackjack. In der Mitte waren ein länglicher Würfeltisch und ein Rouletterad. Die Wände wurden von weinroten Vorhängen verdeckt. Der Ventilator konnte den Gestank des Zigarrenrauchs vom Wochenende nicht vertreiben. In diesem schwach beleuchteten Salon fehlten drei Dinge: Uhren, Spiegel und Fenster. Ich erinnerte mich, daß dies üblich für Kasinos war, so mickrig sie auch sein mochten.
    Crip scheuchte uns zu einer Tür, die aus dem Hauptzimmer wegführte. CRIP BELUGA — MANAGER war in großen, weißen Blockbuchstaben drauf gemalt. Nur für ANGESTELLTE stand drunter.
    »Zieht euch warm an«, sagte er, als er die Bürotür aufschwang. Ich stand hinter Lars. Sein wolliger Mammutkörper füllte den Türrahmen aus, und ich konnte nichts sehen.
    Ich hörte, wie Strom sagte: »Jesus Fucking Christ.«
    Crip sagte: »Ich hab’ nur die Tür aufgemacht und bin gelaufen, dich anzurufen. Ich hab’ nix angefaßt.«
    Strom sagte: »Jesus Fucking Christ.« Lars wußte nicht, was er tun sollte, also stand er mir weiterhin im Weg.
    Crip sagte: »Ärger so groß wie Texas. Hab’ ich dir gesagt.«
    Strom sagte: »Hast du die Bullen angerufen?«
    »Keine Chance, Partner. Ich hab’ auf dich gewartet.«
    »Du Vollidiot. Ruf sofort die verdammten Bullen her.«
    »Das is’ nicht gerade ein legales Etablissement hier, Strom.«
    »Der Polizeipräsident hat gerade letztes Wochenende hier sein Weihnachtsgeld verpraßt.«
    Crip sagte: »Vielleicht wenn wir’n >Bäumchen Wechsel dich< drehen. Die Bullen würden sicher den Versuch schätzen.«
    Strom sagte: »Lars, beweg dich.« Lars trat endlich zur Seite, und ich konnte alles sehen.
    Sie konnte nicht älter als achtzehn gewesen sein. Das war nicht aufgrund ihres Gesichts so festzustellen, sondern durch ihre unschuldigen Brüste, die hoch in die Luft standen, belegt. Ihr Gesichtsausdruck war verworren, in ihrem letzten Atemzug eingefroren. Der verdrehte, leblose Mund zeigte, daß sie nicht auf angenehme Art gestorben war. Sie war einmal schön gewesen. Um ihren Kopf herum, auf dem ehemals sahneweißen Teppich, war ein verhärteter Fleck des eingesickerten Blutes, mit grauen Stücken garniert, die durch ihr schwarzes Haar hindurchkamen. Ich hatte noch nie in jemandes Schädel hineingesehen. Mir war übel, aber ich wollte mich nicht wegdrehen. Ich konzentrierte mich auf Strom, der mir den Rücken zugedreht hatte. Auf den Knien hockte er neben der Leiche. Er schien etwas zu suchen. Eine Waffe. Crip lehnte sich an der Wand an. Er hatte das schon vorher gesehen und in Würde eine erste Reaktion allein erleben können. Der Anblick zum zweiten Mal ließ sein Gesicht grün werden. Er hielt sich eine Hand vor den Mund und sah mich aus dem Augenwinkel an. Ich überraschte ihn offensichtlich, indem ich weder kreischte, heulte oder würgte. Selbstverständlich hätte ich gerne alles drei getan, aber aus irgendeinem Grund wußte ich nicht, wie ich es anstellen sollte.
    Strom stand auf, auf seinen Jeans ein Blutfleck. Er hatte immer noch seinen Rücken zu mir, und ich wünschte, ich könnte sein Gesicht sehen. Er stützte seine Hände auf seine Hüften und sagte: »Hier ist nichts.«
    Crip sagte: »Ich dachte, ich hätte das Mädchen zum letzten Mal gesehn.«
    Ich sagte: »Wer war sie?«
    »Flush Royale«, sagte Strom. »Sie ist der ausgebüchste Croupier, den du vertrittst.«
    Ich nahm meinen Mut zusammen und trat in das Zimmer, um mich umzusehen — tatsächlich aber auch, um im Geiste die Szene zu fotografieren. Jedes mögliche Detail konnte später wichtig werden. Meine Augen drehten sich um 180 Grad. »Ah«, sagte ich. »Ein Indiz.« Ich zeigte auf die Wand vor mir. Auf beiden Seiten der Tür waren in Blut Buchstaben über die Wand gekleckst worden. Ich schloß die Bürotür, um die Nachricht zu vervollständigen. Sie lautete: STROM BISMARK KANN MICH MAL AM SCHWANZ LECKEN.
    Crip sagte: »Nun, mich haut’s um.«
    Strom sagte: »Genau das, was ich noch gebraucht habe.«
    Ich sagte: »Wenigstens wissen wir nun, daß der Täter ein Mann ist.«

Spritziges Verspritztes

    Männer, die eine Sünde wert wären, gibt es überall. In einer Warteschlange am Geldautomaten, auf Hockern in Coffeeshops, in Buchläden mit Krimis in der Hand. Rudelweise fahren sie mit der Subway. Man erhascht flüchtige Blicke. Einen Oberschenkel oder ein Lächeln. Laserblickkontakt. Wenn Lust eine Krankheit wäre, dann müßte New York eine Leprakolonie sein. Die zirka
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