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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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und wie sie hoffte, respektvoll.
    „Ich bin fertig“, sagte sie, als sie die Schwester aufzucken sah. Was war da in ihrem Gesicht? Überrascht sah Mathilda einen müde nach unten verzogenen Mund und gerötete Augen, die verdächtig feucht glitzerten. Hatte sie geweint?
    „Soll ich ...“, sie wies mit der Hand auf die Bank. „Ich könnte ein bisschen beten.“
    Schwester Jordanin nickte nur und wandte sich wieder ab.
    Mathilda kniete sich in die gleiche Bank, allerdings ans andere Ende, verbarg ihr Gesicht in ihren Händen und betete: „Gott, mach doch bitte, dass alles gut wird.“ Dann fiel ihr ein, dass es umgekehrt war. Ab jetzt hatte sie Gott zu dienen. „Bitte gib mir Zeichen, wie ich alles richtig mache“, raunte sie leise vor sich hin. „Ich weiß noch so wenig, wie du mich haben willst. Bis jetzt scheint mir jedoch, dass das ganz anders ist, als ich eigentlich bin.“
    Bis vor einigen Monaten hatte sie einfach drauflos gelebt, ohne sich größere Gedanken um ihre Zukunft zu machen. Alles hatte klar und vorgegeben vor ihr gelegen – und nichts davon war ihr unangenehm erschienen. Vielmehr hatte sie das Gefühl gehabt, die ganze Welt stünde ihr offen und die Sonne würde für sie scheinen. Bis Vater so krank geworden war und ... es sich gezeigt hatte, dass all seine Pläne nicht mehr umgesetzt werden könnten. Und jetzt? Mathilda hob den Kopf und sah auf den Altar, der im matten Kerzenlicht aus der grauen Düsternis ragte. Dann fiel ihr Blick auf ihre Kutte. Auch die – passte hierher. Grau. Wie sie wohl auch bald sein würde, oder? Sie hob die Augen. Gab es ein Leben – hier?
    „Lass uns gehen“, hörte sie von links.
    Augenblicklich und erleichtert, aus ihren unerfreulichen Gedanken gerissen zu werden, erhob sie sich.
     
    „Du hast deinen Rosenkranz bei dir?“, fragte Schwester Jordanin, nachdem sie die Kirche auf dem Weg, den sie auch hereingekommen waren, wieder verlassen hatten.
    Überrascht sah Mathilda sie an. Wusste sie von der ihr auferlegten Buße? Und wenn ja, woher?  
    „Ich dachte, es reicht, wenn ich heute Abend ...“, begann sie. „Der Priester hat gesagt, nach Komplet ...“
    „Das meinte ich nicht“, wurde sie mit ungeduldiger Stimme unterbrochen. „Du solltest ihn bei dir tragen, um ihn in jeder freien Minute hervorzunehmen und zu beten. Müßiggang ist Sünde.“
    „ Er ist noch in meinem Gepäck“, erklärte Mathilda rasch. Müßiggang? Am liebsten hätte sie sofort nachgefragt, was diese Nonne unter Müßiggang verstand. Doch die Erinnerung an Pater Sigismunds Worte ließ sie ihre Frage schnell hinunterschlucken: „Kind, du bist einfach zu impulsiv. Im Kloster musst du lernen, dich zu zügeln. Und vor allem, dich zu fügen.“  
    Fügsam sein, zählte sie deshalb in Gedanken die neuen Anforderungen an sie auf, beten und kein Müßiggang. D ann rannte sie los, um die vorauseilende Nonne einzuholen. Was ihr in der Folge schon wieder einen missbilligenden Blick einbrachte.  
    Nicht galoppieren und nicht trampeln , mahnte sich Mathilda selbst. Dies hier würde – schwierig werden. Für sie!  
    Es ging wieder durch eine verwirrende Flut von Korridoren und Treppen.
    „Warum ist das hier so unübersichtlich?“, fragte Mathilda, sicher, mit dieser Frage nicht anzuecken. „Ich kenne mich noch kein bisschen aus und könnte jetzt nicht sagen, wo ich bin.“
    „Das liegt daran, dass immer wieder Gebäude angebaut wurden“, antwortete Schwester Jordanin. „Wir befinden uns jetzt im Eingangsbereich, dem Redhaus. Hier darf Besuch empfangen werden.“ Als sie Mathildas erfreute Reaktion bemerkte, fügte sie sofort hinzu: „Nur geweihte Nonnen. Ungeweihte leben in strengster Klausur ohne jegliche Außenkontakte.“
    Mathildas ohnehin bereits gemäßigter Mut sank noch weiter. Sie war ungeweiht. Allerdings würde es wohl auch kaum jemanden geben, der sie besuchen kommen würde. Außer ihrem Vater natürlich. Aber solange der so krank war ... und Sebastian – sie wischte heftig mit der Hand durch die Luft – der natürlich auch nicht. Sie atmete tief ein und aus. Mittlerweile war sie schon recht geübt darin, alle Gedanken an ihn im Keim zu ersticken. Die führten zu nichts. Und zerrten sie obendrein in für hiesige Begriffe sündhafte Bereiche. Ab jetzt würde sie sich bemühen, nur noch reine Gedanken zu haben. Wenigstens für ein paar Minuten.
    Sie hob den Kopf: Sie hatte tatsächlich eine Regel gefunden, deren Einhaltung ihr keine Probleme verursachen würde. Wenn
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