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und der verschwiegene Verdacht

und der verschwiegene Verdacht

Titel: und der verschwiegene Verdacht
Autoren: Nancy Atherton
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als Informatikerin. Sie waren fünfzehn Jahre lang ein Paar gewesen, und jetzt waren sie es nicht mehr. Mehr gab es dazu nicht zu sagen.
    Das Lämpchen auf ihrem Telefonapparat blinkte, und Emma sah auf ihre Uhr. Mutters Morgenan-sprache, dachte sie und verzog das Gesicht. Sie ging zu ihrem Schreibtisch zurück, warf die Blüte in den Papierkorb und langte nach dem Hörer.
    »Hallo, Mama.« Emma drehte ihren Stuhl herum, so dass sie zum Fenster hinaussah, wo die trostlose Skyline von Boston sich gegen den regneri-schen Aprilhimmel abhob.
    »Hi, Emma. Na, hat sich der Schuft schon ge-meldet?«
    Emmas Blick wanderte an den Efeuranken entlang, die das Fenster einrahmten. Sie griff nach einer Schere. »Nein, Mama, ich habe noch nichts von Richard gehört, und ich erwarte es auch nicht.« Sie stand auf, klemmte den Hörer zwischen Kinn und Schulter und fing an, die Ranken des Efeus zu be-schneiden. »Ich vermute, dass Richard mit seinem neuen Leben viel zu beschäftigt ist …«
    Ihre Mutter schnaubte verächtlich. »Mit seiner neuen Frau, meinst du wohl. Ich habe dir ja tau-sendmal geraten, den Kerl endlich zu heiraten.«
    »Und ich habe dir immer wieder gesagt, dass ich nicht sehe, was das an der Situation geändert hät-te«, sagte Emma.

    »Dann hättest du jetzt vor Gericht etwas in der Hand! Aber so …«
    »Aber so gehört mir mein Haus, ich habe eine leitende Stellung in einem erfolgreichen Computer-Unternehmen, und ich genieße meine Freiheit. Ich glaube, dass ich mich nicht beklagen kann, oder?«
    Ihre Mutter seufzte. »Also wirklich, Emma, ich hätte nie gedacht, dass meine Tochter das so einfach mit sich machen lässt.«
    »Was sollte ich denn deiner Meinung nach tun, Mama?«
    »Wütend werden! Sein Bild an die Wand schmet-tern! Irgendwie reagieren! Das, was jede normale Frau tun würde. Aber nicht meine Tochter. Emma, Liebes, ich weiß ja, dass du versuchst, tapfer zu sein. Aber musstest du wirklich auch noch zu dieser Hochzeit gehen?«
    »Das hatte nichts mit Tapferkeit zu tun«, erklärte Emma, zum hundertsten Male – wie es ihr vorkam.
    »Es ging mir einfach darum, den Tatsachen ins Au-ge zu schauen.«
    »Ich will dir mal sagen, was die Tatsachen sind«, sagte ihre Mutter verächtlich. »Wenn eine neun-unddreißigjährige Frau für ein zweiundzwanzigjähriges Flittchen sitzen gelassen wird, dann sollte sie nicht nur mit den Schultern zucken. Du musst deinen Ärger rauslassen, meine Liebe, statt ihn in dich hineinzufressen und krank zu werden!«

    »Du hast sicher Recht, Mama.«
    Ihre Mutter schwieg, dann sagte sie: »Nun gut.
    Du musst ja damit klarkommen. Aber eines möchte ich noch wissen, Emma. Hast du den Kerl geliebt?«
    Emma zuckte zusammen, als sie bemerkte, dass sie aus Versehen eine lange Efeuranke durchschnit-ten hatte. »Mama, es tut mir Leid, aber ich muss jetzt gehen. Der Danbury-Auftrag muss fertig sein, ehe ich nach England fliege, und …«
    »Aha. Dachte ich mir doch.«
    »Tschüs, Mama.« Emma legte den Hörer auf und steckte die Schere in den Becher mit den Stiften. Sie fürchtete, dass in ihrer momentanen Verfassung sonst nicht viel vom Efeu übrig bliebe. Es sah ihrer Mutter ähnlich, dass sie auch die unmöglichsten Fragen stellte. Emma war keine verträumte Idealis-tin. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass ihre Karriere ihr wenig Raum für ein romantisches Liebes-leben lassen würde. Ehe und Familie kamen für sie nicht in Frage, und sie hatte Richard unter anderem auch deshalb geliebt, weil er das verstanden hatte.
    Richard war nicht vollkommen – seine Leidenschaft für schlechte Science-Fiction-Filme und Heavy Metal waren zwei Gründe, warum sie froh gewesen war, dass sie getrennt lebten –, aber er hatte ihre Selbstständigkeit respektiert. Ihre Mutter konnte sagen, was sie wollte: Emma konnte sich nicht beklagen – wirklich nicht.

    Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen, drehte ihren Stuhl wieder zum Schreibtisch, wo sie die Ellbogen aufstützte und das Gesicht auf die Hände legte. In zwei Wochen würde sie in England sein.
    Sie konnte es nicht mehr erwarten.
    Auch wenn sie nicht damit gerechnet hatte, allein zu reisen. Emma band das lange Haar zu einem Pferdeschwanz zurück, dann bückte sie sich, um die Mappe mit den Prospekten aus der unteren Schublade hervorzuholen. Sie blätterte sie durch, bis sie die Landkarte gefunden hatte, die sie über den Da-tenblättern des Danbury-Auftrags ausbreitete. Das Kinn auf die Hand gestützt, betrachtete Emma sie aufmerksam.
    Da
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