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Und abends etwas Liebe

Und abends etwas Liebe

Titel: Und abends etwas Liebe
Autoren: Mary Scott
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waren etwas
gehemmt. Ich fragte Claudia so interessiert über ihre Anreise aus, als sei sie
gerade vom Südpol bei uns eingetroffen. Paul äußerte höflich sein Bedauern darüber,
daß der Professor (ein Titel, den er sehr zungenfertig über die Lippen brachte)
nicht die Zeit gefunden hatte, ebenfalls mit nach Tiri zu kommen.
    »Er hat so wenig Zeit. Aber
auch ihm tat es leid. Vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit, wenn wir anläßlich
des wissenschaftlichen Kongresses erneut nach Neuseeland reisen«, und so
weiter.
    Nachdem Claudia sich ein wenig
ausgeruht und wir zu Abend gegessen hatten, saßen wir gemeinsam um das offene
Feuer des Kamins, auf das wir an diesem Herbstabend nicht verzichten konnten.
Plötzlich sagte Claudia: »Ja, Antonia, es wird dir sicher nicht leichtfallen,
dich von allen diesen schönen Dingen zu trennen, nicht wahr? Ich kann mir gut
vorstellen, wie schön ein Mädchen wie du es hier findet«, eine Konzession an uns,
die aber in Wirklichkeit gleichzeitig bedeutete: »Aber es ist natürlich nichts
für ein zivilisiertes Mädchen.«
    Es folgte eine Minute des
Schweigens, und dann sagte Tony sehr beherrscht und ruhig: »Aber ich werde mich
nicht von hier trennen, Mutter. Warum sollte ich auch?«
    Claudias Stimme klang sanft und
liebenswürdig: »Mein liebes Kind, weil dein Zuhause bei mir in Sydney ist.«
    »Da bin ich anderer Meinung«,
und Tonys Stimme zitterte jetzt ein wenig. »Ich mochte Sydney nie. Deshalb ging
ich dort weg. Ich möchte leben.«
    »Aber, mein liebes Kind, für
eine solche Entscheidung bist du noch viel zu jung. Du gehörst an die Seite
deiner Mutter.«
    Sehr tapfer, aber Paul um
Unterstützung bittend, meinte sie: »Oder an die Seite meines Vaters. Schließlich
habe ich zwei Elternteile.«
    »Zu deinem Vater?« Das war der
Angelpunkt, den Paul erwartet hatte. Ich hätte ihm in diesem Augenblick gerne
anerkennend auf die Schulter geklopft. Claudia hielt einen Augenblick inne, und
dann sagte sie langsam: »Dazu würde ich nie meine Einwilligung geben.«
    Aber Tony hatte sich einen
Vorteil erkämpft, den sie nicht preisgeben würde. Sehr kühl meinte sie: »Weißt
du, Mutter, du wirst mich nicht daran hindern können. Ich bin achtzehn Jahre
alt. Kinder können selbst wählen, wenn sie achtzehn sind. Zumindest können sie
bei einem Gericht ihr Recht finden, wenn sie nicht so ohne weiteres ihre Wahl
treffen dürfen.« Sie bluffte natürlich und hatte von den einschlägigen Gesetzen
nicht die geringste Ahnung.
    »Beim Gericht.« Sie schnappte
entsetzt nach Luft. »Aber, mein liebes Kind...«
    »Ja, das werde ich tun«, meinte
Tony. Deutlich waren Zeichen zu erkennen, daß sie erneut ihre Beherrschung
verlieren würde. »Ich wünschte, du würdest endlich damit aufhören, mich dein
liebes Kind zu nennen. Erstens bin ich kein Kind mehr, und zweitens gehöre ich
nicht mehr zu dir, und außerdem war ich niemals dein liebes Kind.« An diesem
Punkt mischte sich Paul klugerweise und liebenswürdig ein: »Jetzt aber genug.
Deine Mutter verträgt ein Nein als Antwort, ohne daß du damit beginnst, die
Dinge hochzuspielen. Tut mir leid, Claudia... Ich vergaß, wie sehr du dieses
gute, alte Wörtchen haßt. Aber unterhalten wir uns doch einmal in aller Ruhe
und ganz vernünftig.« Und von da ab übernahm er die Leitung des Gesprächs, sehr
zu Claudias Überraschung.
    Schließlich war er ihr
wesentlich jüngerer Bruder und hatte sich nie besonders ausgezeichnet.
    Claudia tat mir doch irgendwie
leid, denn sicher würde sie eine Niederlage erleben. Ich hatte das Gefühl, dies
war eine völlig neue und sehr erschütternde Tatsache für diese Frau. Sie wußte
inzwischen, daß Tony nicht ohne Kampf mit ihr gehen würde. Es wäre doch dazu
gekommen, daß Tony schließlich zu ihrem Vater gegangen wäre - eine Situation,
die Claudia sich einfach nicht vorstellen konnte.
    Kurz gesagt, wir empfahlen
einen vernünftigen Ausweg, und Claudia stimmte im großen und ganzen dankbar zu.
    Aber sie wollte nicht länger
bleiben. Ihr reichten die beiden Tage, und obwohl ich mich bemühte, nett und
liebenswürdig zu sein, reichte auch mir diese kurze Zeit. Sie war klug und
tüchtig, aber Paul hatte immer schon behauptet, Claudia sei nicht mein Fall.
    In einer Beziehung aber blieb
ich fest. Ich gestattete Larry nicht, unseren Gast zu inspizieren.
    Tony empfand keine besonderen Gefühle
bei dem Abschied von ihrer Mutter, außer vielleicht einer großen Erleichterung.
    Sie war höflich und freundlich,
aber
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