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Umwege zum Glück

Umwege zum Glück

Titel: Umwege zum Glück
Autoren: Berte Bratt
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geschützt von den Blumen auf dem Tisch einer geheimnisvollen Beschäftigung nachzugehen. Zwei Sekunden später verkündeten ein lautes Schmatzen und die Spitze eines wedelnden Schwanzes, daß Bicky unter dem Tisch sich ihre Zuteilung an Omelette Surprise zu Gemüte führte.
    „Nun erzählt, Kinder“, sagte Frau Neuberger, als wir nachher im gemütlichen Wohnzimmer beim Kaffee saßen. „Was habt ihr nun erlebt seit vorigem Donnerstag? Ich meine natürlich solche Erlebnisse, die man alten Tanten erzählt, die anderen will ich gar nicht wissen!“
    „Meinst du denn, daß wir euch nicht alles erzählen?“ fragte Anke lächelnd.
    „Ich bin doch nicht ganz blöd! Denkst du vielleicht, ich habe alten Tanten alles erzählt, als ich Zwanzig war?“
    „Wetten, daß du keine solchen Tanten hattest wie wir“, sagte Jessica. „Ihr seid nun mal ganz anders, und das wollte ich grade beweisen: Ich wollte von unserer neusten Schandtat erzählen!“
    „Ach du Schreck, dann sind wir nachher verpflichtet, euch eine Moralpredigt zu halten! Nun ja, dann schieß los!“
    Nun erzählte Jessica von meiner neugierigen Frau Hansen, von meinen runtergefallenen Strümpfen und dann von dem Brief. Ich fügte einen Bericht über das sonntägliche Frühaufstehen meiner Wirtin hinzu. Zuletzt holte ich Jessicas zusammengedichteten Brief aus der Tasche und zeigte ihn den Tanten.
    „Kinder, seid ihr ein paar ausgekochte… Übrigens verkehrt der frühe Zug gar nicht sonntags, daß ihr es wißt!“
    „Du liebe Zeit, daran habe ich nicht gedacht!“
    „Frau Hansen zum Glück auch nicht“, versicherte ich. „Denn daß sie kurz nach fünf das Haus zu Fuß verließ, darauf kann ich schwören, ich hing doch mit der ganzen oberen Körperhälfte zum Fenster raus.“
    Frau Neuberger schüttelte den Kopf.
    „Und ihr habt gar kein Mitleid mit der armen alten Frau, die bei Nacht und Nebel zum Bahnhof trottete?“
    „Warum sollten sie?“ rief Frau von Waldenburg. „Es wäre ganz was anderes gewesen, wenn die Mädchen der Frau direkt den Blödsinn erzählt hätten, als einen geschmacklosen Aprilscherz oder so was. Aber einen Brief in einem Kuvert im eigenen Zimmer liegen zu lassen ist doch ganz was anderes! Wenn die Frau ein anständiger Mensch wäre und nicht rumgeschnüffelt hätte, wäre ihr das alles erspart geblieben. Ich finde, offen gesagt, daß ein Fußmarsch zum Bahnhof um fünf Uhr an einem Sonntagmorgen eine sehr milde Strafe für eine solche Gemeinheit ist!“
    „Ungefähr dasselbe schrieb Mutti“, sagte ich. „Sie schreibt -Moment mal…“
    Ich wühlte in meiner Handtasche, wo allerlei überraschende Dinge zum Vorschein kamen, nur nicht der Brief von Mutti, den ich vorlesen wollte.
    „Heiliger Bimbam!“ stöhnte ich. „Der Brief liegt irgendwo in meinem Zimmer! Wenn sie den gelesen hat!“
    „Wenn?“ wiederholte Jessica. „Sie kann ihn bestimmt schon auswendig!“
    „Sie wird mir kündigen!“ sagte ich.
    „Kaum“, meinte Frau Neuberger. „Den Wunsch wird sie sich schön verkneifen müssen. Welchen Grund sollte sie angeben? Sie kann ja nicht offen sagen: ,Weil man mich in einem Brief beleidigt hat, den ich unerlaubt gelesen habe!’ Nein, sie wird den Brief schon schlucken müssen! So, das war also eure Schandtat, Kinder? Dann können wir uns die Moralpredigt schenken. Aber ich bin gespannt auf Ihren Bericht nächsten Donnerstag, Reni!“
    „Nächsten – ja aber – bedeutet das denn, daß ich auch zum nächsten Donnerstag eingeladen bin?“
    „Na klar! Sie sind doch heut aufgenommen bei den Donnerstagsfres – ich meine, bei unseren Donnerstagsgästen!“
    „Selbstverständlich!“ bestätigte Frau von Waldenburg. „Nun sag mal, Anke, was macht das achte Weltwunder? Du hast ihn doch am Sonntag besucht?“
    „Das Weltwunder hat eine Zahncremetube erwischt und damit das ganze Küchenfenster beschmiert“, berichtete Anke. „Außerdem hat er die Sonnenbrille meiner Schwiegermutter in den Backofen gesteckt und einen Löffel ins Klo geschmissen.“
    „Seine armen Großeltern!“ seufzte Frau Neuberger.
    „Die verzeihen ihm alles“, sagte Anke. „Sie lieben ihn abgöttisch, und ich könnte ihnen keinen größeren Gefallen tun als ein paarmal beim Staatsexamen durchzufallen, damit ich noch ein paar Jahre studieren und Peterchen bei ihnen lassen müßte.“
    „Ja ja,“ sagte Frau Neuberger. „Du mußt sie verstehen, Anke.“
    „Das tu ich doch, Tante Isa. Ich weiß sehr gut, daß der Kleine ihnen der einzige
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