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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
Autoren: Ulrich Kienzle
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»Spätzlesrepublik«?
    Man wollte damit sagen, dass die Schwaben in der Bonner Republik dominiert haben.
    Na ja – Ludwig Erhard hatte seinen Wahlkreis in Baden-Württemberg, war aber kein Schwabe. Theodor Heuss, in der Anfangszeit. Kiesinger, Gerstenmaier – o. k. Bei der SPD war es Erler, dann später Alex Möller – aber dann kamen eigentlich schon die Badener.
    Genau – heute sind die Badener in der Berliner Republik dominierend. Wohl deshalb hat Sie Lothar Späth zum »Ehrenschwaben« ernannt.
    Das ist recht.
    Sie werden in den Medien immer wieder auf Ihren vermeintlich »schwäbischen Akzent« angesprochen. Trifft das einen Badener?
    Nein, es trifft mich nicht. Ich spreche ja so halb badisch, halb schwäbisch. Der mittlere Schwarzwald, gerade auch Hornberg, ist ja protestantisch, im Gegensatz zum katholischen Umfeld. Die Grenzen sind nicht so eindeutig. Und deshalb isch des au g’rad wurscht. 19
    Niemand spricht ja so ein wunderschönes »sch« wie Sie. Der Kiesinger dagegen hat immer ein ganz vornehmes »s« gesprochen.
    Kiesinger war natürlich »König Silberzunge«!
    Sprechen Sie denn noch Dialekt?
    Richtigen Dialekt habe ich nie gesprochen. Ich spreche auch nicht richtig hochdeutsch.
    Kennen Sie noch den Text vom »Badener Lied«?
    Ja, klar: »Das schönste Land im ganzen Land, das ist das Badener Land. Es ist so herrlich anzuschauen, ruht in Gottes Hand. In Haslach gräbt man Silbererz, in Freiburg wächst der Wein, im Schwarzwald schöne Mädchen, ein Badener möcht ich sein. In Karlsruhe ist die Residenz, in Mannheim die Fabrik, in Rastatt ist die Festung – das ist Badens Glück!«
    Die Strophe mit Alt-Heidelberg kann ich nicht so gut.
    Gibt es denn ein badisches Lieblingswort? Oder ein schwäbisches?
    Ha no! Da gibt es viele!
    Arschloch?
    Seggl – wenn scho!
    Arschloch ist im Schwäbischen ja keine Beleidigung.
    »Ha noi« 20 – das ist für mich das stärkste schwäbische Wort.
    »Noi« 21 sagen müssen Sie in diesen Tagen als Finanzminister ja häufig. Sie haben wirklich einen Scheißjob, sage ich mal etwas drastisch.
    Schwätzet se koin Scheiß, Herr Kienzle!
    Die alten Griechen haben das ja etwas vornehmer als ich umschrieben. Bei ihnen gab es die Sage von Sisyphos, der von den Göttern dazu verurteilt war, einen Stein einen Berg hinaufzuwälzen – war er am Ende des Tages mit seiner Last oben angelangt, rollte dieser Brocken wieder den Berg runter. Und Sisyphos konnte am nächsten Morgen wieder von vorne anfangen. Ein bisschen erinnern Sie mich in der Euro-Rettung an Sisyphos.
    Ich habe das selber mal in einem Buch geschrieben – und ich habe mein Buch mit der Erkenntnis geendet, dass Sisyphos ein glücklicher Mensch war.
    Und damit Albert Camus zitiert.
    Über die Figur des Sisyphos kann man vieles sagen – dieser Grundgedanke, dass die menschliche Existenz nie an ein Ziel kommt, sondern dass es immer weiter geht. Was wäre denn, wenn man am Ziel wäre? Auch wenn du auf einen Berggipfel steigst – wenn du mal oben bist …
    … kannsch bloß no ronder.
    Kannsch bloß noch runter … Das ist das Immerwährende. Wie auch Goethe gesagt hat: »Wer immer strebend sich bemüht …« Das ist auch Sisyphos.
    Ich habe vor Kurzem einen Nachbarn von Ihnen besucht – Felix Huby, den Drehbuchautor. Er hat erzählt, dass er Sie immer wieder Handbike fahren sieht – so schnell, dass Ihre Bodyguards kaum nachkommen. Er bewundert Ihre Energie. Woher nehmen Sie nach 40 Jahren im Bundestag, nach vielen Niederlagen und Demütigungen, diese Kraft für Ihren Alltag?
    Erstens habe ich den Wahlspruch: »S’isch, wie’s isch!« 22 Und infolgedessen: »Wenn’s so isch, dann isch so.« Dann macht es ja keinen Sinn, sich darüber zu ärgern oder darüber zu verbittert zu sein.
    Sie hören also auch nach 40 Jahren im Bundestag nach der Bundestagswahl 2013 nicht auf?
    Ich hab immer g’sagt: Wenn sie mich nochmal wählen wollen, dann sollen sie mich nochmal wählen.
    Das klingt ziemlich fatalistisch.
    Wenn ich jetzt schon im Rollstuhl sitz – soll ich mich jetzt ewig darüber aufregen? Da habe ich nix davon. »Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist.« 23 Das Leben ist von der Art, dass man versuchen muss, das Beste draus zu machen.
    1 Wenig schmeichelhafte Bezeichnung für einen Schwaben
    2 Von 2005 bis 2009 Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion und ab Januar 2013 Oberbürgermeister von Stuttgart
    3 Der Schwabe Theodor Heuss war von 1949 bis 1959 der erste Bundespräsident der
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