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Uhrwerk Venedig (German Edition)

Uhrwerk Venedig (German Edition)

Titel: Uhrwerk Venedig (German Edition)
Autoren: Lucas Edel , Emilia Dux , Susanne Wilhelm , Tom Wilhelm , Dirk Ganser , T. S. Orgel
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fiel die Scheibe mit den Linsen am schmalen Ende der Kiste ein, rotierte erst langsam, dann immer schneller werdend. Nach einer Weile verlor das Uhrwerk seine Kraft, und die Machina stand still.
    »Meister Fontanelli?«
    »Ja, mein lieber Umberto?«, sagte Giacomo, ohne aufzusehen.
    »Ist die Machina jetzt vollendet? «
    »Ja. Dies ist die Machina, von der man in den dunklen Gassen Venedigs munkelt. Jene Erfindung, die selbst am Hofe des Dogen Loredan nur hinter vorgehaltener Hand erwähnt wird, wenn der große Leonardo mal wieder ein wenig unpässlich und unausgeschlafen zu einer Audienz erscheint.«
    Giacomo sah sich um und erblickte die verblüfften Gesichter seiner beiden Schüler Umberto und Lucio. Enzo, sein zurückgebliebener, buckliger Gehilfe, starrte nur blicklos auf den Werktisch. Ein Speichelfaden troff aus seinem Mundwinkel. Umberto bemerkte den Blick seines Meisters und stupste Enzo kurz auf seinen Buckel. Dieser schreckte zusammen, sah sich um und grinste dann dümmlich nickend seinem Herrn ins Gesicht.
    »Superior«, nuschelte er fröhlich nickend zwischen den Ruinen seiner Zähne hindurch »Superior, mio Maestro dio.«
    Eine gepflegte Hand, die einen Ring mit einem ordinär großen Rubin zur Schau stellte, schob Enzo zur Seite. Kopfschüttelnd betrachte ein Mann mit fein geschnittenen Gesichtszügen und schwarzen Locken die unscheinbare Machina.
    »Das ist ja alles gut und schön, mein lieber Giacomo. Aber glaubst du nicht auch, dass du mit diesem Teufelswerk, so es denn wahrhaft funktioniert, an Gottes Werk und Willen herumpfuschst?«
    »Gustav.« Giacomo nickte dem Mann zu. »Gerade du solltest doch wissen, dass alles Gottes Wille ist, oder? Wenn ER nicht gewollt hätte, dass der Mensch in die Zukunft sehen kann, warum ließ ER mich dann diese Machina erfinden?«
    »Um dich zu prüfen vielleicht?«
    »Ich bitte dich! Seit wann glaubst ausgerechnet du, ein Flüchtling vor der heiligen Inquisition, an die Narreteien des Klerus? Ein Mann, der tatsächlich behauptet, die Erde würde sich um die Sonne drehen. Ein Mann, dessen Klinge zu flink ist für die tumben Prügel der heiligen Streiter der Inquisition?«
    »Aus diesem Grunde suchen sie mich nicht, wie du sehr wohl weißt«, sagte Gustav. »Es ist nur eine Theorie, die ich mit dem Freund meines Vaters diskutiert habe. Nichts weiter als ein Hirngespinst. Und was die heiligen Soldaten betrifft, die mich aus den Armen einer willigen Maid entführen wollten …« Gustav zuckte grinsend mit den Schultern. Dann beugte er sich vor, und studierte die unscheinbare Schmuckschatulle. »Wie soll sie funktionieren?«
    »Das Licht, lieber Gustav, ist die Antwort. Es braucht Zeit, bis es hier bei uns ankommt. Zeit, in der es viele Geheimnisse sieht, die es mir mittels dieser Machina preisgibt.«
    »Und das nur nachts?«
    Giacomo lehnte sich zurück.
    »Sind die Sterne Nadelstiche im Mantel der Nacht? Oder sind sie nicht eher Fenster zur göttlichen Dimension?« Er zuckte mit den Schultern. »Ich glaube Letzteres. Denn aus welchem Grund sollte Gott diese Fenster nur nachts am Himmel zeigen, wenn alle vernünftigen Menschen in ihren Betten liegen?«
    »Wann wirst du sie testen?«
    »Jetzt.«
    Giacomo stellte ein kleines Gestell an das rechte Ende seiner Werkbank. In dieses Gestell war ein Stück Pergament einspannt. Dann nahm er nacheinander die beiden Schlüssel, faltete die Machina wieder zusammen und zog die Uhrwerke auf.
    »Löscht das Licht«, befahl er. »Ich muss die Machina ausrichten, bevor wir sie ausprobieren können. Wir haben abnehmenden Mond. Also muss ich sie noch exakter ausrichten.«
    Umberto, Lucio und sogar Gustav folgten der Anweisung umgehend. Enzo stand weiterhin neben der Werkbank seines Meisters und starrte ins Leere. Giacomo wollte ihn zurechtweisen, doch dann hielt er sich zurück. Enzo erinnerte ihn irgendwie an Anselmo. Anselmo, der so gute Anlagen im Geist gehabt hatte. Anselmo, der in besseren Jahren immer wieder zu ihm aufgeblickt hatte, wie zu einem großen Bruder, und der jetzt wegen der Zerstreutheit und Ruhmsucht Leonardos tot war. Gestorben in einer Lache seines eigenen Erbrochenen. Das Licht in der Werkstatt erlosch vollends, und Giacomo schüttelte den trüben Gedanken ab. Ein Quietschen erklang, als Umberto und Lucio durch Flaschenzüge die Luke im Dach öffneten.
    »Dies tue ich im Andenken an dich, mein lieber kleiner Anselmo, Bruder im Geiste des Wissens«, flüsterte Giacomo in das Dämmerlicht der Sterne, das jetzt durch
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