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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel
Autoren: S Mann
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das alles viel länger gedauert, als ich …«
    »Warte, warte!«, unterbrach ich ihn. »Said war gar nicht die erste Verabredung deines Liebhabers?«
    Beat schüttelte den Kopf. »Der pummelige Blonde war der Erste. Das Treffen mit meinem Mann hat vor etwa drei Wochen stattgefunden. Die Zubereitung der Salbe brauchte etwas Zeit. Aber ich war ihm ja gefolgt und wusste, wo er wohnte. Er hat meinen Liebhaber auch immer wieder angeschrieben und wollte ihn wiedersehen, aber der …«
    »… wollte kein Gelaber, kein Drama.«
    Beat lächelte schwach. »Danach hat er den Tennisspieler getroffen. Der war aber oft unterwegs und stets von seiner Entourage umgeben, sodass es ein paar Tage gedauert hat, bis ich ihn allein erwischt habe. Da war alles viel einfacher, Chloroform und dann ab in den Kastenwagen und zum See. Bei ihm wäre ein Selbstmord auch durchaus glaubwürdig gewesen. Der Araber war zwar das letzte Date, aber der erste Tote. Doch bereits da hat mein Liebhaber Verdacht geschöpft und Profilnamen und Passwort für die Datingseite geändert. Seither habe ich keine Ahnung mehr, wen er trifft …«
    Aus dem Augenwinkel sah ich das erste Polizeifahrzeug durch die Durchfahrt steuern, gefolgt von einem weiteren. Beide hatten Blaulicht und Sirene ausgeschaltet. Bastiani musste sie darauf aufmerksam gemacht haben, was sich hier oben abspielte. Wie es schien, hatte Tobler auf mich gehört und alle Hebel in Bewegung gesetzt. Ich fragte mich nur, wo er so lange blieb.
    »Die Polizei. Das war’s dann wohl«, flüsterte Beat, als die Wagen am Rand der Josefwiese stehen blieben. Vereinzelt fielen Schneeflocken, sonst rührte sich nichts.
    »Vater unser im Himmel …«, setzte Beat mit geschlossenen Augen zum Gebet an.
    Das auch noch.
    Er taumelte heftiger und ich stellte mich vorsichtshalber ganz nah ans Geländer, die Arme ausgebreitet, als würde ich ihn zum Tanz auffordern. Er bemerkte es nicht einmal. Unten glitt endlich der schwarze Mercedes durch die Einfahrt.
    »Dein Reich komme, Dein Wille geschehe …«
    »Ist das der Mann, für den du all das getan hast?«, fragte ich Beat, gerade laut genug, dass er sein Gebet unterbrach. Er öffnete die Augen und erstarrte.
    »Frank!«, wisperte er, gefolgt von einem Freudenschrei: »Frank!«
    Er streckte seine Arme nach Tobler aus, der soeben aus der Limousine stieg.
    »Frank, Liebster, ich bin’s!«
    Als Tobler hochsah, verhärtete sich sein Blick umgehend. Schnurstracks winkte er einen der nun ebenfalls ausgestiegenen Beamten heran und redete eindringlich auf ihn ein, worauf dieser gehorsam nickte und zu den Polizeifahrzeugen zurückeilte. Danach blickte Tobler wieder zu uns herauf, abwartend und mit ausdrucksloser Miene, als ginge ihn das alles gar nichts an. Wäre da nicht seine sichtlich angespannte Kiefermuskulatur gewesen.
    »Aber … Frank!« Beats Stimme ging in ein Flehen über. Im nächsten Moment sah ich ihn mit den Armen rudern und packte geistesgegenwärtig sein Handgelenk.
    Wir knallten von je einer Seite gegen das Geländer, Beat von außen und ich von innen. Das hässliche Knirschen und der darauffolgende gellende Schrei sagten mir, dass er sich dabei die Schulter ausgerenkt hatte. Mit der Hand des unverletzten Armes wedelte Beat panisch in der Luft herum, das Gesicht schmerzverzerrt. Ich stemmte mit aller Kraft beide Beine in den Boden, doch sein Körpergewicht zog mich unweigerlich über das Geländer, ich hing bereits bis zur Brust darüber.
    »Halt dich fest!«, rief ich ihm zu, doch Beat hatte nur Augen für Tobler. »Ich muss sonst loslassen. Du musst mir helfen, um Gottes Willen!«
    Das wirkte. Gehorsam tastete er nach einer Balustradenstange und klammerte sich fest. Für den Bruchteil einer Sekunde lockerte ich meinen Griff um nachzufassen, dabei entglitt mir sein Arm, doch Beat schaffte es gerade noch, sich an der vereisten Kante des Viadukts festzukrallen. Sofort warf ich mich zu Boden, langte unter dem Geländer hindurch und packte seine schweißnasse Hand. Meine Fingernägel bohrten sich in sein Fleisch, während sein Gewicht ihn nach unten zog. Ich spürte, wie mir seine Finger unaufhaltsam entglitten, Zentimeter um Zentimeter.
    Zu meiner Erleichterung war jetzt vom Aufgang her das schwere Stapfen von Polizeistiefeln zu vernehmen. Während die Uniformierten über den Viadukt auf uns zurannten, spähte ich hinunter zu Tobler. Er hatte sich nicht vom Fleck bewegt. Sein Blick war immer noch auf uns gerichtet, er war unbeteiligt und
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