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Überm Rauschen: Roman (German Edition)

Überm Rauschen: Roman (German Edition)

Titel: Überm Rauschen: Roman (German Edition)
Autoren: Norbert Scheuer
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Fluss so wieder ins richtige Bett geleitet.
     
    Nachdem die Bauarbeiter bedient waren, gab Alma auch mir etwas zu essen, stellte Kartoffeln, Äschen und Salat auf den Tisch und setzte sich zu mir. Währenddessen schwafelte Zehner an der Theke weiter, jetzt wieder von seiner Mühle, streckte seine Zunge heraus und versuchte, seine haarige Nase zu berühren. Alma sagte zu mir, dass der Getränkelieferant am Nachmittag kommen würde. Sie müsse noch die Zimmer fertig machen, einige Motorradfahrer und Angler hatten sich angemeldet. Sie ging zum Regal über dem Kühlschrank und holte ein Küchentuch heraus. Im Radio liefen gerade Nachrichten, dann spielte Musik, Lieder, die mir als Jugendlicher gefallen, Musik, wie wir sie gehört hatten, wenn wir nach der Schule auf den Felsen am Wehr saßen und kifften. Ich erinnerte mich, wie ich mit Alma nach dieser Musik eng umschlungen getanzt und Hermann auf seiner Klarinette gespielt hatte. Einige Zeit war er im Musikverein gewesen, bis er sich auch mit denen überworfen und nur noch allein für sich musiziert hatte.
    Nachdem ich gegessen hatte, trocknete ich das Geschirr ab. Reese war in ihrem Stuhl eingeschlafen. Alma sagte, Reese brauche immer um diese Zeit ihren Mittagsschlaf. Sie nahm mir die abgetrockneten Teller und Schüsseln aus der Hand und stellte sie in den Schrank. Als ich nach der Holländerin fragte, antwortete sie, dass sie nicht darüber sprechen wolle.
    Später wurde Bier angeliefert, und die Fässer wurden in den Keller gerollt. «Nach der Kirmes werden wir bezahlen», vertröstete Alma die Lieferanten. Früher waren die Kirmestage das beste Geschäft des Jahres gewesen. Im Saal gab es Tanzbälle, drei Tage wurde nur gefeiert, unsere Eltern konnten danach mit dem Verdienst den Verlust des ganzen Jahres wieder ausgleichen.
    Es regnete nun so heftig, dass die Brückenarbeiter ihre Arbeit unterbrachen und in die Gaststätte zurückkamen. Der Ingenieur räumte Aschenbecher und Deckchen vom Tisch und breitete eine Zeichnung aus, erklärte den Arbeitern, dass bei einem Strömungspfeiler die Belastung bei Hochwasser besonders hoch sei und dass der Pfeiler näher untersucht werden müsse. Jemand müsse auf den Plafond unter die Brücke klettern, wo die Versorgungsleitungen verliefen. Die Männer beugten sich über den Plan, der Ingenieur zeigte auf kritische Stellen, dann gingen sie zum Fenster und blickten zum Pfeiler. Der Regen hatte nachgelassen. Ein Arbeiter schlug vor, an einem Strick auf den Vorsprung des Pfeilers hinabzuklettern. Den Strick könne man an der Anhängerkupplung der Pritsche oben auf der Brücke sichern. Der Ingenieur war zuerst skeptisch, ging dann aber doch auf den Vorschlag des Arbeiters ein. Alma servierte ihnen Schnaps.

 
     
     

    Köder: Alles ist Täuschung, nichts ist wahr. Fische verhalten sich dieser Wahrheit entsprechend, sie wollen wohl getäuscht werden durch etwas, das sie über alles begehren, seien es bunt schillernde Facettenflügel, die Hechel, ein silberner Blinker, die Illusion eines auf dem Wasser treibenden, verführerischen Insekts, das Glück. Aber vielleicht täuscht der Fisch auch uns.

22
    Als ich vor Jahren nach langer Zeit wieder von Hermann hörte, arbeitete er auf einem Frachtschiff. Ich erinnere mich, wie die erste Kassette von ihm ankam, für die ich mir dann einen Rekorder kaufte, um sie anhören zu können. Hermann beteuerte auf dem Band, dass er uns allen verziehen habe, dass er während der Jahre auf See viel Zeit zum Nachdenken habe, er schwärmte vom weiten, glitzernden Meer, dass es erhaben und sehr schön sei, er sich aber doch nach unseren Flüssen sehne, er berichtete von seiner Arbeit als Schiffsmechaniker, von der Passage durch den Suezkanal, von der Wüste, von kleinen ärmlichen Steinhäusern am Ufer, kurzen Aufenthalten in Häfen, Reparaturarbeiten am Schiff, dass er keine Zeit gehabt habe, Städte anzusehen, von einem Sturm mit haushoch heranrollenden Wellen, Monsunregen, der über das Schiffsdeck gepeitscht sei. Auch später schickte er immer nur Kassetten, nie Ansichtskarten, keine Briefe, keine Fotografien, weder von dem Schiff noch von den Ländern, in denen er gewesen war. Es gibt überhaupt nur wenige Fotos von meinem Bruder, er ließ sich ungern fotografieren. Einmal lag eine Zeichnung von einem Fliegenden Fisch der Kassette bei. Hermann hatte die Reederei gewechselt, fuhr nun auf einem großen Containerschiff, verdiente mehr Geld, arbeitete aber dafür nur noch unter Deck im Maschinenraum.
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