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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
Autoren: Inge Deutschkron
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Jiddisch. Ich gab vor, ihn nicht zu verstehen. Daraufhin zog er seine Pistole, richtete sie auf meine Brust und brüllte, es sei alles gelogen, ich sei gar keine Jüdin. Nur mit großer Mühe und List gelang es uns, ihn loszuwerden. Frauen waren gefragt.
    Diese angstvollen Minuten schmälerten unsere Freude über das Ende des Krieges, das Ende der Naziherrschaft und unser Überleben nicht.
    Dann allerdings wurde in allen Einzelheiten bekannt, was die Nazis Fürchterliches gegen Millionen von Menschen vieler Nationen angerichtet hatten. Unser Entsetzen kannte keine Grenzen. Wir mußten feststellen, daß unsere gesamte Familie ermordet worden war. Immer neue Namen fielen uns ein von Freunden und Bekannten, die einem grausigen Schicksal zum Opfer gefallen waren. Wir weinten, weinten tagelang.
Lachen in der Not
    Zehn kleine Meckerlein, die saßen einst beim Wein;
    der eine machte Goebbels nach,
    da waren es nur noch neun!
    Neun kleine Meckerlein, die hatten was gedacht;
    dem einen hat man’s angemerkt,
    da waren es nur noch acht!
    Acht kleine Meckerlein, die hatten was geschrieben;
    dem einen hat man’s Haus durchsucht,
    da waren es nur noch sieben!
    Sieben kleine Meckerlein, die fragten einmal: „Schmeckt’s“?
    Der eine sagte „Schlangenfraß“,
    da waren es nur noch sechs.
    Sechs kleine Meckerlein,
    die schimpften auf die Pimpfe;
    der eine sagte „Lausepack“,
    da waren es nur noch fünfe.
    Fünf kleine Meckerlein, die saßen am Klavier;
    der eine spielte Mendelssohn,
    da waren es nur noch vier.
    Vier kleine Meckerlein, die kannten Dr. Ley;
    der eine wußte was von ihm,
    da waren es nur noch drei.
    Drei kleine Meckerlein, die nannten Mythos „Dreck“;
    da holte PG Rosenberg gleich zwei von ihnen weg.
    Ein kleines Meckerlein ließ dies Gedicht mal sehn;
    man brachte es nach Dachau hin,
    da waren es wieder – zehn.
    Dieses etwas abgewandelte Kinderlied beschreibt das Leben in Deutschland, so wie es im Jahre 1933 seinen Anfang nahm und zwölf Jahre lang das Schicksal seiner Bürger bestimmte. Menschen haben es geschrieben, die das Entsetzen über das totalitäre System, dem sie sich zu unterwerfen gezwungen sahen, dazu trieb. Es wurde zu einem der Ventile, derer sie sich bedienten, um ihr Denken vor dem Ersticken zu bewahren.
    Die Strophen dieses Liedes offenbaren Bedingungen, die im Nazireich zur Folge hatten, daß ein Mensch ohne Vorwarnung oder entsprechende Rechtsmittel abgeholt und in einem Konzentrationslager gequält oder gar ermordet werden konnte. Eine gegenteilige richterliche Entscheidung konnte daran nichts ändern. Das Recht war in Deutschland außer Kraft gesetzt.
    Der Zufall wollte es, daß die Naziführung zu jener Zeit den Deutschen eine neue Form des Grußes unter Volksgenossen anstelle des üblichen „Guten Morgen“ oder „Guten Abend“ empfahl: (Zitat) „Der deutsche Gruß ist zu erweisen durch aufgehobene Rechte.“
    Ein bitteres Schmunzeln – mehr wagte man nicht über die von den Nazis ungewollte Doppeldeutigkeit. Doch gab man es flüsternd weiter am Stammtisch, im Familienkreis, unter Freunden oder bei zufälligen Begegnungen auf der Straße. Ehe dieser Witz noch mit erstaunlicher Schnelligkeit die letzte Ecke dieses Landes erreicht hatte, erfand jemand einen Zusatz: „Gedämpfte Zungen“, das sei nun das am häufigsten servierte Gericht in deutschen Gaststätten.
    So entstand der Flüsterwitz, von Menschen in die Welt gesetzt, deren Augen und Ohren nichts entging, was ihre Freiheit begrenzen und sie zu Gehorsam verpflichten sollte. Der Witz bot beiden, dem Erzähler wie auch dem, der ihm zuhörte, einen Moment der Befreiung von dem Druck, unter dem die Deutschen fortan leben mußten.
    „Heil Hitler, der Hund ist tot.“ „Haben Sie Dank für diese wunderbare Nachricht“ , rief der Herr begeistert aus und schüttelte dem Überbringer dieser Botschaft überglücklich die Hand. Jedoch – er hatte die Nachricht falsch gedeutet. Der Mann, der sie überbrachte, hatte tatsächlich seinen Hund überfahren.
    Die von den Nazis eingeführten barbarischen Methoden galten in den ersten Monaten ihrer Herrschaft, in denen sie sich noch nicht sicher im Sattel fühlten, in erster Linie ihren politischen Gegnern. Gnadenlos führten sie sie durch in den von ihnen errichteten Konzentrationslagern. Im März 1933, knapp zwei Monate nach ihrem Regierungsantritt, verkündete SS-Führer Heinrich Himmler der Welt den Bau eines solchen ersten Lagers in Dachau zum Zweck der Umerziehung von Gegnern,
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