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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)
Autoren: Loons Gerringer
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widmen. Firn
wollte immer höher rauf ins Gebirge, hoffte vielleicht, weiter oben auf noch
unbefallene Gebiete zu stoßen, wo mehr Essbares zu finden war. Also quälten sie
sich auf steilen Wegen ab. Nachmittags kamen sie in ein langes Hochtal, das bis
vor kurzem mit grünen Wiesen ausgepolstert gewesen war. Jetzt war es eine
knisternde, räudig-braune Wüste. Da war ein Dorf, dessen Bewohner
offensichtlich schon vor Tagen alles verbrannt hatten, was grün war, Gärten,
die kleinen Äcker, Obstbäume. Ein Haus hatte das Feuer auch erwischt. Wie der
Killer mit den Zeppelinen in der Bucht hatten die wohl gedacht, dass sie damit das
schwarze Zeug eindämmen konnten. Dass es dann einfach über sie hinwegfliegen
würde, und sie nur die Erde umgraben und neu aussäen müssten. Inzwischen war
ihnen aufgegangen, dass die Dinge sich radikaler geändert hatten. Dass ihren
Tieren das Futter nicht bekam, das sie jetzt noch fanden. Dass ihre Scheunen
über kurz oder lang leer sein würden. Und deshalb waren heute sämtliche
Dorfbewohner mit Schlachten beschäftigt gewesen. Hühner, Schweine, Ziegen,
Gänse, hier und da eine Kuh – es war ein Blutbad, und das Blut floss in einem
breiten Rinnsal die Dorfstraße hinunter. Das Dorf teilte Firns neues Credo:
abschlachten und einpökeln. Bei guter Einteilung würde ihnen das ein paar Monate
schenken. Was sie wohl getan hätten, wenn sie gewusst hätten, wer da über ihre
Dorfstraße spazierte? Und wann würde einer von seinen Leuten keine Lust mehr
haben, seine Ration Dörrfleisch mit ihm zu teilen, und ihn verraten?
    Firn trieb sie an, damit sie schleunigst weiterkamen,
bevor noch jemand das Pökelfässchen entdeckte, das sie auf ihrer Karre schoben.
Diesmal durfte Sandrou darauf sitzen. Sonst musste er immer selbst laufen,
egal, wie sehr er quengelte.
    Hinter dem blutigen Bergdorf tobte der Pilz sich
ungehindert aus. Mit Gras konnte er nicht viel anfangen, das zerstörte er und
zog weiter. Aber aus Sträuchern und Bäumen machte er mehr. Wenn er da alles
Grün weggefressen hatte, besiedelte er Rinde und Äste. Im Zeitraffer wuchsen
darauf knollige Kolonien in Braun, Schwarz oder Grau und verwandelten ihren
Wirt in amorphes, mürbes Zeug, das bei Berührung zerbröckelte. Vermodern im
Schnelldurchlauf. An den Stämmen hatte der Fahlagrind länger zu arbeiten. Er
sah auch nicht überall gleich aus. Zwei Stunden hinter Blutdorf kamen sie zum
Beispiel durch einen Kiefernwald, in dem alle Nadeln in bräunlich-gelben Tüll
verwandelt worden waren. In langen dünnen Streifen hing das Zeug von den
Zweigen, sah aus wie Füllmaterial aus geplatzten Sesseln. Als sie das dritte
tote Eichhörnchen unten an einem Stamm liegen sahen, musste Firn es wieder mal
ganz genau wissen. Schlitzte es auf und fand in seinem Magen unverdaute Pilzknollen.
Was hatte er erwartet? Der Große Anführer hatte das Zeug gestern noch selbst
probiert und für ungenießbar befunden. Was ihn nicht davon abhielt, ein paar
Pilze in ihrer einzigen Pfanne zu braten (Protestgeschrei von Pix) und es damit
zu versuchen. Gebraten und mit Salz waren sie essbar, behauptete er. Sonst
hatte keiner probiert. War aber zweifellos auch nur eine Frage der Zeit.
    Nach den grauen Eingeweiden des Eichhörnchens hatte er
plötzlich den Garten in der Harlequin Lane vor Augen, grüne Hecken, Gras mit
Gänseblümchen, Lilien. Der ganze Stolz seiner Mutter. Einmal hatten seine
Brüder ein meterhohes Exemplar kurz vor dem Aufblühen mit einem Fußball
umgeholzt. Seine Mutter hatte tagelang nicht mit ihnen geredet. Die Gesichter
von Jasper und Kelvin und seiner Mutter waren weg, aber den Garten sah er. In bunt.
Und dann die Tangmatten in der Bucht da hinter ihnen. Das lange Gras auf dem
Felsrücken im Meer. Den Birkenschössling vor dem Einstieg in die Unterwelt. Visionen
von Grün. Was war passiert? Wie konnte es passiert sein?!
    Auf einmal wurde ihm klar, dass er das Brausen des
Feuers und die Schreie schon seit Stunden nicht mehr hörte. Auch keine
markanten Sprüche von Toten mehr, keine Shelter, nicht mal mehr die Treppenstufen.
Umso deutlicher waren Sandrous Geheul, das Knirschen der Karrenräder, das
Knistern des Fahlagrind, jetzt die nörgelige Stimme von Pix. Die regte sich
darüber auf, dass Firn das Eichhörnchen an seinen Rucksack gebunden hatte.
    „Wer soll das denn essen? Das hat vielleicht schon tagelang
da rumgelegen!“
    „Das gibt nachher noch ‘ne gute Suppe. Vielleicht
finden wir sogar wieder ein paar wilde Möhren oder so
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